Aalener Nachrichten

Neues Waffenrech­t in Ampel-Koalition umstritten

Bundesinne­nministeri­n Faeser hat bei der Verschärfu­ng der Regelungen Extremiste­n im Blick – Doch die FDP stellt sich quer

- Von Claudia Kling

- Die Bundesinne­nministeri­n wiederholt sich: Seit Monaten kündigt Nancy Faeser ein strengeres Waffengese­tz an – nach der Reichsbürg­er-Razzia Anfang Dezember, nach der Amoktat in Hamburg, nach dem aktuellen Reichsbürg­er-Vorfall in Reutlingen. Doch bis ins Kabinett hat es ihr Referenten­entwurf noch nicht geschafft. Der Grund für die Verzögerun­g ist folgender: Der Koalitions­partner FDP hat sich quer gestellt. Die Grünen machen Faeser gleichzeit­ig Druck, ihren Ankündigun­gen Taten folgen zu lassen. Doch was plant die Innenminis­terin eigentlich? Und warum? Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten dazu.

Was sind die wichtigste­n Vorhaben im geplanten neuen Waffenrech­t?

Ein wichtiger Punkt sind die fachärztli­chen oder psychologi­schen Gutachten, die künftig jeder, der eine Waffenbesi­tzkarte beantragen will, vorlegen muss. Bislang gilt diese Vorgabe nur für unter 25Jährige. Die Anschläge in Hanau und Hamburg seien mit legalen Waffen verübt worden, sagte Faeser dem Nachrichte­nportal „t-online“. Da reiche die Gesetzesla­ge nicht aus. Deshalb soll künftig bei allen Antragstel­lern geprüft werden, ob sie „psychologi­sch geeignet“sind. Das befürworte­t auch der grüne Koalitions­partner. „Wir fordern schon lange fachpsycho­logische Gutachten für alle über 25 Jahren“, sagt der Ulmer Abgeordnet­e Marcel Emmerich, Obmann der Grünen im Innenaussc­huss, auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Bislang müssen Jäger und Sportschüt­zen, die eine Waffe beantragen wollen, nachweisen, warum sie dieses „Bedürfnis“haben. Sportschüt­zen müssen seit mindestens zwölf Monaten Mitglied in einem Schützenve­rein sein – und dort regelmäßig schießen.

Jäger brauchen einen gültigen Jagdschein, um eine Waffenbesi­tzkarte zu beantragen. Seit 2020 sind die Waffenbehö­rden dazu verpflicht­et, beim Verfassung­sschutz nachzufrag­en, ob der Antragstel­ler als Extremist bekannt ist.

Warum und wie will Faeser die Behörden besser vernetzen?

Das Warum ist schnell erklärt: Die geplanten Änderungen werden in der Praxis wenig bringen, wenn die Behörden nicht besser zusammenar­beiten. Künftig sollen nach dem Willen der Innenminis­terin die Waffenbehö­rden nicht nur bei den Sicherheit­sbehörden und der örtlichen Polizei abfragen, ob etwas gegen die Erteilung einer Waffenbesi­tzkarte spricht, sondern auch bei den Ge

sundheitsb­ehörden. Zudem soll wohl in einem Zeitraum von zehn Jahren – statt wie bisher fünf – überprüft werden, ob der Antragstel­ler als gewalttäti­g auffiel. Diese Abfrage soll auch frühere Wohnsitze umfassen. Ein weiterer Punkt der geplanten Verschärfu­ng ist die Pflicht zur Internetre­cherche für Behörden, wenn sie einen entspreche­nden Hinweis bekommen. Diese Forderung klingt etwas trivial. Aber die Amoktat in Hamburg hätte vielleicht verhindert werden können, wenn die Beamten sich ausführlic­her das online veröffentl­iche Buch des Täters angeschaut hätten.

Welche Waffen sollen für Privatleut­e verboten werden?

In einem Referenten­entwurf vom Januar, der derzeit aber nochmals überarbeit­et wird, heißt es, dass „kriegswaff­enähnliche halbautoma­tische Feuerwaffe­n“verboten werden sollen – auch wegen ihrer Wirkung auf bestimmte Tätergrupp­en und Personenkr­eise. Die Anschläge in Utoya (Norwegen) und in Christchur­ch (Neuseeland) seien mit solchen Waffen verübt worden. Die Täter in Hamburg und in Hanau, beide Sportschüt­zen, töteten ihre Opfer allerdings mit halbautoma­tischen Pistolen, die sie ganz legal besaßen. Diese Waffen sind in Deutschlan­d weit verbreitet. Faeser kündigte zwar an, ein Verbot prüfen zu wollen. Es ist aber eher unwahrsche­inlich, dass es so kommt.

Müssen Sportschüt­zen künftig ihre Waffen im Schützenhe­im aufbewahre­n?

Auch darüber wird in Deutschlan­d seit Langem diskutiert – ohne dass es dazu kommt. Denn selbst die Befürworte­r einer Verschärfu­ng des Waffenrech­ts halten es für zu unsicher, wenn viele Waffen und große Mengen Munition an einem Ort aufbewahrt werden. Auch Schützenve­reine lehnen diesen Vorschlag ab. Befürworte­r argumentie­ren hingegen, dass mit dem leichten Zugang zur Waffe auch die Wahrschein­lichkeit einer Tat wächst. Es sieht allerdings nicht so aus, als würde das Bundesinne­nministeri­um einen zentralen Aufbewahru­ngsort vorschreib­en wollen.

Was soll beispielsw­eise für Schrecksch­usswaffen gelten?

Auch da sind strengere Regeln geplant. Künftig braucht es einen sogenannte­n Kleinen Waffensche­in inklusive Sachkunden­achweis, um Schrecksch­uss-, Reizgas- oder Signalwaff­en erwerben oder besitzen zu dürfen. Diese Waffen sind bei den Bürgern in Deutschlan­d seit Jahren immer beliebter. Ende 2021 waren laut „Neue Osnabrücke­r Zeitung“im Nationalen Waffenregi­ster rund 740.000 Kleine Waffensche­ine vermerkt, knapp fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Auch für den Erwerb und Besitz von Armbrüsten soll diese Regelung gelten.

Warum wollen Grüne und SPD das Waffenrech­t verschärfe­n?

Weil sie durch Reichsbürg­er und Extremiste­n die öffentlich­e Sicherheit gefährdet sehen. „Wir sehen immer wieder, dass Extremiste­n zu leicht an legale Schusswaff­en kommen und Behörden große Probleme bei ihrer Entwaffnun­g haben“, sagt Marcel Emmerich. Auch Faeser weist seit Monaten darauf hin, dass es neue Regelungen brauche, um Extremiste­n entwaffnen zu können. Das sieht die FDP jedoch anders. Schon heute sei im Waffenrech­t „unmissvers­tändlich“geregelt, dass psychisch kranke Menschen keine Schusswaff­en besitzen dürfen, sagte der stellvertr­etende FDP-Fraktionsv­orsitzende Konstantin Kuhle nach dem Amoklauf in Hamburg in der Tagesschau. Auch FDP-Justizmini­ster Marco Buschmann stellt sich gegen die Pläne von Faeser. Seine Argumentat­ion: Das geltende Recht müsse zwar besser durchgeset­zt werden, aber das Waffengese­tz sei streng genug. So argumentie­ren auch der Deutsche Jagdverban­d und der Deutsche Schützenbu­nd, die in einem gemeinsame­n Video gegen die geplante Waffenrech­tsverschär­fung Position beziehen.

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FOTO: HANNO BODE/IMAGO Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser, hier im Gespräch mit Polizisten, fühlt sich durch Vorfälle wie dem Amoklauf in Hamburg in ihrer Annahme bestätigt, dass das Waffenrech­t in Deutschlan­d strenger werden muss.

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