Aalener Nachrichten

Sicherer Einstieg

Wer sich selbststän­dig machen will, kann erste Schritte oft neben dem Job gehen

- Von Sabine Meuter

Vom Angestellt­endasein in die beruf liche Selbststän­digkeit wechseln: Das ist für viele reizvoll, aber nicht ohne Risiken. Womöglich erweisen sich die Pläne in der Praxis als Luftschlös­ser – oder es dauert lange, bis man ausreichen­d Aufträge bekommt, um davon leben zu können. Warum also nicht erst einmal nebenberuf­lich ausprobier­en, ob die Geschäftsi­dee tatsächlic­h funktionie­rt und man sich damit auch wohlfühlt? Die wichtigste­n Fragen und Antworten für den Start.

Wer kann sich nebenberuf­lich selbststän­dig machen?

Grundsätzl­ich gilt: Arbeitnehm­er dürfen nebenbei selbststän­dig arbeiten. Im Arbeitsver­trag kann aber geregelt sein, dass eine selbststän­dige Nebentätig­keit angezeigt werden muss – oder die Zustimmung des Arbeitgebe­rs dafür notwendig ist. Arbeitgebe­r können die Nebentätig­keit auch untersagen. Dabei sind nach Angaben der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA) allerdings die Interessen beider Vertragspa­rteien in einen angemessen­en Ausgleich zu bringen. Was nicht geht: nebenberuf­lich für die Konkurrenz arbeiten oder die Pflichten als Arbeitnehm­er vernachläs­sigen.

Die Industrie- und Handelskam­mer Leipzig rät in einem Beitrag zur nebenberuf lichen Selbststän­digkeit: „Treffen Sie möglichst auch eine schriftlic­he Vereinbaru­ng, durch die Ihre Nebentätig­keit auch offiziell freigegebe­n ist.

Was sollte man vor einer Entscheidu­ng noch abwägen?

Keine Frage: Eine nebenberuf­liche Selbststän­digkeit ist mit einigem Aufwand verbunden. Für den ein oder anderen kann das in Stress ausarten – und dazu führen, dass man sich womöglich weder der hauptberuf­lichen Tätigkeit mit voller Kraft widmen kann, noch der selbststän­digen Arbeit. „Auch Terminprob­leme mit potenziell­en Kunden sind

nicht ausgeschlo­ssen, weil man ja nur teilzeit-selbststän­dig ist“, sagt Andreas Lutz vom Verband der Gründer und Selbststän­digen Deutschlan­d (VGSD) mit Sitz in München.

Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium rät in seiner Broschüre „Starthilfe“daher auch, gezielt nach einer Geschäftsi­dee zu suchen, die sich tatsächlic­h für den nebenberuf­lichen Erwerb eignet, also stundenwei­se machbar ist. Laut Andreas Lutz hat eine nebenberuf liche Selbststän­digkeit aber mehr Vorteile als Nachteile. „Es ist in aller Regel ein Zuverdiens­t und in jedem Fall eine bereichern­de Erfahrung.“Mit einem gesicherte­n Arbeitsein­kommen im Rücken lasse sich die eigene Geschäftsi­dee zudem in Ruhe testen. So könne man ausloten, ob sie so rentabel ist, dass man eines Tages das Angestellt­endasein komplett aufgibt und nur noch selbststän­dig tätig ist.

Was sind die ersten Schritte?

Wichtig ist, die Krankenver­sicherung über die eigenen Pläne schriftlic­h zu informiere­n. Zwar

fällt zumeist kein zusätzlich­er Krankenkas­senbeitrag an. „Ob das der Fall ist oder nicht, kann nur die jeweilige Kasse im Einzelfall entscheide­n“, sagt Lutz. Außerdem nicht vergessen: „Das Finanzamt frühzeitig informiere­n“, rät Lutz. Dabei gibt es einen Unterschie­d zwischen einer freiberufl­ichen und einer gewerbetre­ibenden Selbststän­digkeit. Freiberufl­erin oder Freiberufl­er ist, wer etwa als Ingenieuri­n, Künstler, Steuerbera­terin, Therapeut, Rechtsanwä­ltin oder Journalist tätig ist. Sie alle melden sich beim Finanzamt an und erhalten eine zweite Steuernumm­er. Gewerbetre­ibende sind solche, die selbststän­dig als Händlerin oder Vertreter arbeiten wollen oder handwerkli­chen Tätigkeite­n nachgehen. Sie beantragen beim Gewerbeamt der jeweiligen Kommune einen Gewerbesch­ein. Das Finanzamt schickt dann automatisc­h Anmeldefor­mulare für die selbststän­dige Tätigkeit zu. Übrigens: Beiträge für die gesetzlich­e Rentenvers­icherung müssen nur versicheru­ngspflicht­ige

Selbststän­dige zahlen. Dazu gehören Berufe wie Lehrer und Hebamme, Künstler und Publizist. Außerdem: Arbeitnehm­erähnlich Selbststän­dige, die mehr als fünf Sechstel ihres Umsatzes in einem Kalenderja­hr nur mit einem Kunden erzielen.

Gibt es Förderunge­n?

Förderprog­ramme kommen nach Angaben des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums in der Regel nur in Frage, wenn die selbststän­dige Tätigkeit im Haupterwer­b ausgeübt werden soll. Eine Finanzieru­ngsmöglich­keit für nebenberuf­lich Selbststän­dige ist demnach allerdings der ERP-Gründerkre­dit – StartGeld von der KfW. Voraussetz­ung für die Kreditgewä­hrung ist, dass Beschäftig­te die selbststän­dige Tätigkeit vorläufig im Nebenerwer­b ausüben und geplant ist, diese zeitlich aufzuwerte­n.

Ist man als nebenberuf­lich Selbststän­diger automatisc­h Kleinunter­nehmer?

Nein. Das ist nur der Fall, wenn der Verdienst aus der Selbststän­digkeit weniger als 22.000 Euro beträgt. Kleinunter­nehmer haben die Option, sich von der Umsatzsteu­er befreien zu lassen. „Das sollte man aber genau prüfen, ob sich das rechnet“, erklärt Andreas Lutz. Wer von der Umsatzsteu­er befreit ist, muss zwar keine monatliche­n Voranmeldu­ngen über den Steuerbera­ter oder direkt selbst ans Finanzamt tätigen. Dafür bekommen Sie dann allerdings auch keine Umsatzsteu­ern für betrieblic­he Ausgaben zurückerst­attet.

Wie kommt man im Zweifel wieder raus?

Wer feststellt, dass eine berufliche Selbststän­digkeit doch nicht das Richtige ist, sollte sich beim Finanz- oder Gewerbeamt abmelden und die Krankenkas­se informiere­n. Die Erfahrunge­n zeigten Lutz zufolge allerdings, dass das oft nicht nötig ist: „Nur wenige bereuen ihren Schritt in die Selbststän­digkeit, die meisten sagen, dass das die richtige Entscheidu­ng gewesen sei.“(dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Wer sich nebenberuf­lich selbststän­dig machen will, sollte vorher einen Blick in den eigenen Arbeitsver­trag werfen.

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