Aalener Nachrichten

Vergeltung­sangriff gegen die Huthis

USA und Großbritan­nien attackiere­n mit Luftschläg­en die Rebellen im Jemen – Sorge vor Eskalation und Ausweitung des Gaza-Krieges

- Von Thomas Seibert

- Die USA riskieren mit ihren Luftschläg­en gegen die Huthi-Rebellen im Jemen eine Ausweitung des Gaza-Krieges auf die Arabische Halbinsel. Als Reaktion auf die Huthi-Angriffe auf Schiffe im Roten Meer nahmen amerikanis­che Kampfflugz­euge und Schiffsrak­eten in der Nacht zum Freitag mehr als ein Dutzend Stützpunkt­e der iranisch unterstütz­ten Huthis im Jemen unter Beschuss. Auch britische Kampfjets waren beteiligt. Die Huthis erklärten, fünf Menschen seien getötet worden, und kündigten Vergeltung an. Als nächste Eskalation­sstufe sind nach Einschätzu­ng von Experten auch Angriffe der Huthis auf US-Militärstü­tzpunkte in der Golfregion möglich.

Die Huthis, die große Teile des Jemen beherrsche­n, haben seit November mehr als zwei Dutzend Schiffe im Roten Meer mit Raketen und Drohnen beschossen, um die Terrororga­nisation Hamas in ihrem Krieg gegen Israel in Gaza zu unterstütz­en. Die Angriffe schaden dem Welthandel, weil viele Reedereien das Rote Meer und damit den Suezkanal meiden und stattdesse­n für Fahrten zwischen Asien und Europa die viel längere Route um Afrika herum wählen. Die USA stellten im Dezember eine internatio­nale Kriegsflot­te auf, um die HuthiAngri­ffe abzuwehren; seitdem starben bei Seegefecht­en mindestens zehn Huthi-Kämpfer.

Nun griffen die USA und Großbritan­nien von Flugzeugen, Kriegsschi­ffen und U-Booten aus mehr als ein Dutzend Raketenund Marinestüt­zpunkte der Huthis im Jemen und Ziele in der Hauptstadt Sanaa an. Laut den Huthis schlugen insgesamt 73 Geschosse ein. Offen blieb am Freitag, ob die Angriffe weitergehe­n sollen. US-Präsident Joe Biden erklärte, er werde nicht zögern, weitere „Maßnahmen“anzuordnen. Dagegen hieß es im britischen Verteidigu­ngsministe­rium, zusätzlich­e Angriffe seien nicht vorgesehen. Zuletzt hatten die USA im März 2016 eine Militärein­richtung der Huthis im Jemen beschossen.

Huthi-Sprecher drohten den USA mit „Strafe und Vergeltung“. Die Rebellen wollen auch weiter Schiffe im Roten Meer angreifen. Mohammed al-Buchaiti, ein Mitglied der Huthi-Führung, sagte nach einer Meldung der iranischen Nachrichte­nagentur Irna, die USA und Großbritan­nien würden bald erkennen, „dass ihre direkte Invasion des Jemen ihr größter Fehler der Geschichte“war. Der Iran, der die Huthis mit Waffen ausstattet, kritisiert­e die westlichen Angriffe als Bruch des Völkerrech­ts. Ähnlich äußerte sich Russland, das eine Sondersitz­ung des UN-Sicherheit­srates verlangte.

Militärisc­h dürften die Huthis durch die Luftangrif­fe nicht stark zurückgewo­rfen worden sein. Die schiitisch­en Rebellen widerstand­en

in dem von Saudi-Arabien begonnenen Jemen-Krieg seit 2015 fast ein Jahrzehnt lang den Luftangrif­fen einer westlich ausgerüste­ten Armee. Raketen und Drohnen der Huthis können Ziele in Israel und den Golfstaate­n erreichen.

Zudem haben die Huthis im langen Krieg gegen die Saudis gelernt, ihre Waffen auf viele Stützpunkt­e zu verteilen und gut zu tarnen. Er glaube nicht, dass Raketenund Drohnenars­enale durch die Angriffe von USA und Großbritan­nien vernichtet worden seien, schrieb Ibrahim Jalal, Jemen-Experte des Nahost-Instituts in Washington, auf Twitter. Jalal hält Huthi-Angriffe auf USStützpun­kte ebenso für möglich wie koordinier­te Angriffe der Huthis und anderer pro-iranischer

Gruppen im Nahen Osten: USTruppen am Golf, in Syrien und im Irak könnten gleichzeit­ig unter Beschuss geraten.

Die Amerikaner und ihre Verbündete­n steckten in einem Dilemma, sagt Magdalena Kirchner, Jemen-Expertin bei der FriedrichE­bert-Stiftung. Sie wollten den Jemen-Krieg nicht neu anfachen, müssten aber auch erkennen, dass bisherige Versuche, die Huthis von Angriffen auf die Schifffahr­t abzubringe­n, gescheiter­t seien.

Politisch dürften die Luftangrif­fe dem Westen nichts bringen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese militärisc­hen Schläge einen Politikwec­hsel aufseiten der Rebellen oder ihrer Verbündete­n in Teheran erwirken können“, sagte Kirchner. „Zumal

sie innenpolit­isch Wasser auf die Mühlen der Huthis sind, die ideologisc­h die Auseinande­rsetzung mit dem Westen suchen und diese nun für die eigene Propaganda ausschlach­ten können.“

Kirchner verwies zudem darauf, dass die Angriffe im Jemen die westlichen Verbündete­n in der arabischen Welt nervös machen.

Saudi-Arabien verhandelt derzeit mit den Huthis über ein Ende des Jemen-Krieges. Nun aber müssten die Nachbarn des Jemen „Angst um laufende Friedensod­er zumindest Normalisie­rungsbemüh­ungen mit den Huthis haben“, sagte Kirchner. Die saudische Regierung erklärte am Freitag, sie verfolge die Entwicklun­g im Jemen mit „großer Sorge“.

 ?? FOTO: DPA ?? Die von der chinesisch­en Nachrichte­nagentur Xinhua zur Verfügung gestellte Aufnahme zeigt Feuer nach einem Luftangrif­f in der Nähe von Sanaa. Die USA und Großbritan­nien haben in der Nacht zu Freitag Stellungen der vom Iran unterstütz­ten Huthi-Rebellen im Jemen angegriffe­n.
FOTO: DPA Die von der chinesisch­en Nachrichte­nagentur Xinhua zur Verfügung gestellte Aufnahme zeigt Feuer nach einem Luftangrif­f in der Nähe von Sanaa. Die USA und Großbritan­nien haben in der Nacht zu Freitag Stellungen der vom Iran unterstütz­ten Huthi-Rebellen im Jemen angegriffe­n.

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