Ein schwäbisches Urgestein tritt ab
Nach 22 Jahren Amtszeit ist es für Bürgermeister Günter Ensle an der Zeit, in den Ruhestand zu gehen
- Die Limeshalle in Hüttlingen ist an diesem Tag wieder gerammelt voll gewesen. Bei der Bürgermeister-Kandidatenvorstellung sind die Kapazitäten in Hüttlingen bereits ausgeschöpft gewesen, die Verabschiedung von Günter Ensle, nach 22 Jahren Amtszeit als Bürgermeister, ist dem in nichts nachgestanden. Extra angereist ist sogar der Bürgermeister von Hüttlingens Partnerstadt Cotigniola, Luca Piovaccari, der bei den Grußworten dann noch internationales Flair auf die Bühne gezaubert hat.
Es war ein Festakt, der den 22 Jahren Amtszeit Ensles einen durchaus würdigen Abschied verlieh. Der Song „Ich mach mein Ding“von Udo Lindenberg ist irgendwie charakteristisch für den scheidenden Rathauschef, der bei seiner Feier seinen 73. Geburtstag feierte und der sich dieses Lied gewünscht hatte. Als Orchesterversion aber gibt es das nicht, sodass Robert Wahl vom Musikverein Hüttlingen kurzerhand selbst eine Orchesterversion des Lindenberg-Klassikers komponierte, der zum Abschluss des Abends gespielt wurde. Es passte einfach zu diesem Abend, es passte zu Ensle – und wurde mit tosendem Applaus quittiert.
Ensle hat Eindruck hinterlassen in den vergangenen 22 Jahren. Unzählige Bürgermeister aus der Region, natürlich Ensles direkte Nachfolgerin Monika Rettenmeier, der ehemalige Landrat Klaus Pavel oder der Landtagsabgeordnete Winfried Mack, wollten sich diese Feierstunde nicht entgehen lassen. Gunter Bühler, Bürgermeister von Bopfingen, sprach einige Grußworte, stellvertretend für seine Kolleginnen und Kollegen im Ostalbkreis. Der aktuelle Landrat Joachim Bläse hielt eine Laudatio auf Ensle und hob dann hervor, dass Luca Piovaccari mit einer kleinen Delegation anwesend sei, die er entsprechend willkommen heißen wollte. Bis zum „Buonaserra“hat es noch gereicht, dann aber verließen ihn die Worte, sehr zu Erheiterung des Publikums. Der Landrat nahm es ebenfalls mit Humor – und fuhr fort. „Es geht eine besondere Ära zu Ende und dann hat er auch noch Geburtstag. Und wie es so ein schwäbischer Schultes macht, der Geburtstag hat und denkt, dass da viele Leute kommen könnten: er lässt dann die Gemeinde einladen“, sorgte Bläse dann für den nächsten, diesmal bewussten, Lacher beim Publikum.
Man spüre den Stolz des Gemeinderats, den Stolz der Bürgerinnen und Bürger, was in den vergangenen 22 Jahren in Hüttlingen auf die Beine gestellt wurde, so Bläse weiter, wie Günter Ensle das Gesicht von Hüttlingen nachhaltig verändert habe, „wie Sie diese attraktive Gemeinde noch attraktiver gestalten durften.
Wenn man heute nach Hüttlingen kommt, dann spürt man, wie lebenswert, wie attraktiv diese Gemeinde ist“, sagte Bläse. „Eine große Zeit geht zu Ende“, sagte Bläse und vergaß natürlich nicht, seine Lieblingsattribute zu platzieren: Günter Ensle habe den Ort gestaltet, wie man insgesamt den Ostalbkreis gestalte: „Vielseitig. Schwäbisch. Patent.“Als „Kind des Ostalbkreises“taufte ihn Bläse dann noch, den in Aalen geborenen Ensle, der nie in Hüttlingen, sondern in Unterkochen wohnte.
Ein Klassiker während seiner 22-jährigen Amtszeit, den natürlich auch seine Stellvertreterin Heide Borbély in ihrer Ansprache nicht vergaß. 2002, im Rahmen der Kandidatenvorstellung zur
Bürgermeisterwahl, wurde Ensle gefragt, ob er es als sinnvoll betrachte, als Schultes auch in der
Gemeinde zu wohnen. „Ich verspreche ihnen, ihr Bürger zu sein“, sagte Ensle damals, was die meisten als „Ja“einstuften. „Nahezu jeder dachte, dies sei Ihr Versprechen,
nach Hüttlingen zu ziehen“, erinnerte Borbély an diese Episode. „Wie wir heute aber wissen, war die Antwort typisch Ensle. Er und seine Familie wohnen nach wie vor in Unterkochen“, so Borbély weiter. Doch die Hüttlinger verziehen ihm das über all die Jahre. Vor allem die Präsenz „bei nahezu allen Festen und Feiern“in der Gemeinde sei gut angekommen. „Sie waren immer für die Hüttlinger da.“
Von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde er als „guter Chef“verabschiedet. Und da Ensle bekennender Fan des Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach ist, hat ihn das Rathausteam einmal komplett neu eingekleidet mit Fanutensilien. Die Pudelmütze setzte er
gleich auf. Ein Fußball, mit allen Unterschriften der Mitarbeiter, machte die Sache rund – im wahrsten Sinne des Wortes. Und auch das Ende dieses Festakts war irgendwie ein typischer Ensle. Genug Reden auf seine Person seien geschwungen worden. Da er nicht einfach eine weitere obendrauf präsentieren wollte, hat er sich dazu entschieden, in die Bütt zu gehen.
Und Show, das kann er, der Ensle. In Reimform durchlief er die Themen seines Schaffens, der Musikverein spielte regelmäßig den bekannten Tusch nach vier Paarreimen. Ensle tritt ab, nach 22 Jahren – und hinterlässt durchaus große Fußspuren, die von seiner Nachfolgerin erst einmal ausgefüllt werden müssen.
„Wie wir heute wissen, war die Antwort typisch Ensle. Er und seine Familie wohnen nach wie vor in Unterkochen.“
Heidi Borbély, stellvertretende Bürgermeisterin in Hüttlingen