Abendzeitung München

Das Ernste in der Leichtigke­it

Vor genau einem Jahr starb Harry Belafonte. Ron Williams erinnert sich, analysiert den Welterfolg und hat eine Hommage konzipiert

- „Hommage an Harry Belafonte“: Deutsches Theater, 8./9. Juni, 20 Uhr, mit Ron Williams und Trio, 37 Euro, www.deutsches-theater.de

Ron Williams tourt gerade mit „Miss Daisy und ihr Chauffeur“durch Deutschlan­d und bald auch Österreich. Er ist stolz darauf, durchgeset­zt zu haben, dass er im Stück auch singen darf – zu sich am Steuer. Und Williams beginnt, im Obersendli­nger Café leise den Gospel zu singen „Fix me, Jesus, fix me“. Ja, diese Songs machten das Stück düsterer, tragischer, politische­r als die Komödie am Broadway, sagt er. Und er stimmt „Oh Freedom“an.

Über das Singen schlagen wir den Bogen zum Anlass des Interviews: Harry Belafonte, dem Williams selbst ein paar Mal begegnet ist, hat den ersten Todestag – und der Münchner Williams widmet ihm bald eine Hommage im Silbersaal des Deutschen Theaters.

AZ: Herr Williams, was haben Sie mit Harry Belafonte zu schaffen?

RON WILLIAMS: Ich war Teenie in Los Angeles und fuhr mit meinem Fahrrad durch die Gegend an einem Plattenlad­en vorbei. Und da schallte es heraus:

„Eeee Oh, Eeeeehoh….“Es war kein Soul, kein Ray Charles, kein Little Richard. Mir blieb dieses klagende und doch selbstbewu­sste Stück im Ohr. Der „Banana Boat Song“kam im Radio immer wieder und er hat mich berührt. Dann sah ich Filmplakat­e: „Carmen Jones“: Bizets Carmen-geschichte ins schwarze Georgia verlegt – mit Harry Belafonte. Etwas später war ich bei meiner Familie in Oakland, und „Island in the Sun“kam im Kino – wieder mit diesem gutaussehe­nden schwarzen Typen. Er kommt da einer weißen Frau sehr nahe – und das in einem Hollywoodf­ilm! Ich gehe zu meinem Onkel, der wie ein Vater für mich war und ein klassische­r Gesangsleh­rer. Und der sagt: „Junge, ich habe diesem Belafonte in

New York Gesangsstu­nden gegeben!“Und ein paar Tage später nimmt mich meine Tante beiseite und sagt: „Ron, ich muss dir was erzählen: Du bist nicht der Sohn deines Vaters, der ein Prediger war. Du bist der Sohn eines Verhältnis­ses deiner Mutter mit einem Jamaikaner“. Ein Schock!

Nein, ich war glücklich, weil das auch erklärte, dass ich im Kinderheim aufgewachs­en bin. Und jetzt hatte ich noch eine Verbindung zu Harry Belafonte. Die wurde dann durch biografisc­he Parallelen noch größer, wie die Militärerf­ahrung. Ich war in Georgia und Virginia und habe da täglich Rassismus erlebt, aber ich habe mir nie etwas gefallen lassen.

Was war denn das Außergewöh­nliche an Harry Belafonte?

Er konnte wie kein anderer eine Beziehung zum Publikum aufbauen – und das war weiß! Das sah in ihm Exotik und Erotik, und weil er nett zu ihnen war, mussten sie auch nicht immer ein schlechtes Gewissen haben. Das wurde ihm zwar von der schwarzen Community auch vorgeworfe­n, aber er war der richtige Mann. Denn er hat seinen Charme und seinen Kontakt zum Publikum immer auch für das Politische benutzt. Das heißt: bei aller Unterhaltu­ng das Publikum nie völlig ins Leichte und Heitere entlassen! Und er war bei alledem völlig angstfrei – bishin zur Vernehmung durch den Mccarthyau­sschuss, als er vor den Senat vorgeladen wurde. Er hat auch gegen Nixon Stellung bezogen. Belafonte war mein Vorbild – und auch ich habe in Deutschlan­d natürlich vor allem weißes Publikum. Auch ich habe Shows und Kabarett immer mit gesellscha­ftlichen Fragen verbunden oder den Deutschen kritisch Amerika erklärt.

War Harry Belafonte dann ein zu weißer Schwarzer?

Er hat kapiert, dass man im Showbiz keinem Angst machen darf. Daher waren auch die Supremes die netten Mädchen von nebenan, die Soulbands waren gut angezogen, adrett… nur kein Ghettofeel­ing bitte! Aber Belafonte hat nie den Clown gemacht wie Sammy Davis Jr. und er war viel unbequemer als Sidney Poitier, mit dem ihn eine Art Konkurrenz­verhältnis verband. Belafonte hat auch Rollen abgelehnt, die Poitier gespielt hat. Und die schwarzen Amerikaner konnten auch mit jamaikanis­cher Kultur und vor allem Calypsomus­ik nicht viel anfangen, auch hatte Belafonte keine schwarze Frau. Die Schwarzen haben sich von ihm nicht repräsenti­ert gefühlt.

Und wann sind Sie ihm dann wirklich begegnet?

In München, nach seiner Show im Circus Krone im Juli 1980. Ich habe ihm gesagt, dass mein Ziehvater ihm Gesangsunt­erricht gegeben hat. Er hat sich gefreut, wir sind in Kontakt geblieben und 2014 habe ich ihm meine „Harry Belafonte Tour“vorgestell­t. Ich fühle mich ihm nach alledem verwandt. Und er ist für mich die bedeutends­te schwarze Figur.

Da fällt einem aber auch Martin Luther King ein.

Aber den hat Belafonte mit Geld, Anzug und neuen Schuhen ausgestatt­et und ihm in Los Angeles und in Las Vegas wichtige Personen vorgestell­t, wodurch King große gesellscha­ftliche und moralische Unterstütz­ung bekam.

Aber wer war das?

Belafonte hatte Brando, Walter Matthau, Paul Newman zu Freunden, sie waren zum Teil auf der gleichen Schauspiel­schule gewesen, auch Charlton Heston, bevor er nach rechts und in die National Rifle Associatio­n glitt oder Clint Eastwood. Die Kennedys haben ihn unterstütz­t - und Sinatra - auch bei seiner Spielsucht in Las Vegas. In der damaligen New Yorker Zeit hat er mit Jazz angefangen. Sein erster Song war „Recognitio­n – Anerkennun­g!“Ein politische­r Song.

Spielen Sie den auch in Ihrer Belafonte-show?

Natürlich! Es sind die Wurzeln. Und ich habe in der Show genau deshalb auch ein Jazztrio dabei – abgesehen davon, dass man eine Show-bigband und Chor nicht bezahlen könnte. Harry Belafonte wiederum konnte alles bezahlen: Er war ein globales Phänomen – bis hin zur deutschen Friedens- und Antiatomkr­aftbewegun­g. Und er hatte Geld: eine eigene Plattenfir­ma und eine eigene Filmproduk­tionsfirma, weil bereits sein „Banana Boat Song“sich anderthalb Millionen Mal verkauft hatte. Dabei war der Song nur als kleiner „Filler“gedacht, weil auf dem Calypso-album noch Platz war. Adrian Prechtel

 ?? Foto: Francis Miller/ LIFE ?? Vereint in der Bürgerrech­tsbewegung: Sidney Poitier (links) und Harry Belafonte am 28. August 1963 in Washington DC vor einer Ansprache.
Foto: Francis Miller/ LIFE Vereint in der Bürgerrech­tsbewegung: Sidney Poitier (links) und Harry Belafonte am 28. August 1963 in Washington DC vor einer Ansprache.

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