Abendzeitung München

„Wenn ich Kane sehe, bin ich froh, dass ich nicht so viel laufen musste“

Im Interview mit der AZ spricht Ex-bayern-star Giovane Elber über das Halbfinale gegen Real, seine Erinnerung­en an das legendäre Duell 2001 und seinen herausford­ernden Weg zum deutschen Pass

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AZ: Herr Elber, am Mittwoch geht es für den FC Bayern München im Halbfinal-rückspiel bei Real Madrid um den Einzug ins Champions-league-finale. Sie sind Ex-profi, Markenbots­chafter und im Bernabéu-stadion als Fan dabei. Packen es die Münchner?

GIOVANE ELBER: Unsere Saison, vor allem in der Bundesliga und im Dfb-pokal, war nicht so gut, aber in der Champions League waren wir meistens sehr gut. Ich denke, dass es am Mittwoch

für die Bayern darum geht, eine starke Mannschaft­sleistung zu zeigen. Die muss stimmen. Dazu brauchen wir etwas Glück und einen Manuel Neuer in Topform, denn vielleicht fällt die Entscheidu­ng ja sogar im Elfmetersc­hießen.

Wie 2012 unter Jupp Heynckes. 2001 haben Sie im Bernabéu das entscheide­nde Tor zum 1:0-Erfolg erzielt, damals der Grundstein fürs Weiterkomm­en ins Endspiel. Auch beim 2:1 im Rückspiel eine Woche später im Olympiasta­dion haben Sie getroffen.

Ich habe nie in meiner Karriere ein Tor aus größerer Distanz erzielt als damals am 1. Mai 2001 – auch wenn es nur etwas mehr als rund 20 Meter waren. Als der Ball kam, habe ich nicht viel überlegt, mich schnell gedreht und mit links einfach abgezogen. Mit links!

Sie mussten zehn Tage vorher am linken Knie operiert werden. Genau, es musste eine Arthroskop­ie gemacht werden, ein paar Knorpeltei­le wurden entfernt. Am Tag nach unserem 2:1-Erfolg im Viertelfin­al-rückspiel gegen Manchester United bin ich nach der Entscheidu­ng unseres Mannschaft­sarztes Hans-wilhelm Müller-wohlfahrt

gemeinsam mit Jens Jeremies nach Berlin geflogen, wir wurden dort beide operiert. Ich habe das Risiko in Kauf genommen, habe alles versucht, rechtzeiti­g fit zu werden und zu Ottmar Hitzfeld gesagt: Trainer, bitte lass‘ mich spielen! Es hat Gott sei Dank geklappt, auch bei Jens. Leider konnte er dann im Finale, als wir gegen Valencia den Titel gewonnen haben, wegen seiner Verletzung nicht mitmachen.

War es das wichtigste Tor Ihrer Karriere?

Ja! Weil es beim 1:0 blieb. Olli Kahn hat in diesem Spiel überragend gehalten. Nach dem Spiel in der Kabine konnte ich mich kaum freuen, ein merkwürdig­es Gefühl. Ich war total leer, als wäre das Spiel alles ein Traum gewesen.

Aus Ihrer Sicht als ehemaliger Mittelstür­mer: Wie wichtig wird am Mittwoch Bayerns Torjäger Harry Kane? Bei Gegner Real lässt Carlo Ancelotti nach dem Abschied von Karim Benzema ohne Mittelstür­mer agieren. Selbst Pep Guardiola hat eingesehen, dass man nur mit einem echten Mittelstür­mer, also Erling Haaland, die Champions League gewinnen kann – siehe letzte Saison. Aber Real macht das sehr gut. Jude Bellingham stößt immer wieder vorne in den Strafraum, ist sehr torgefährl­ich. Über die Außen kommen Rodrygo und Vinícius Júnior. Ich finde, dass Bellingham bei Real noch besser geworden ist. Und wenn ich Kane sehe, wie er seine Rolle bei Bayern interpreti­ert, dann bin ich immer froh, dass ich früher nicht so viel laufen musste, meist vorne bleiben durfte. Kane ist ja kreuz und quer auf dem ganzen Platz unterwegs – meine Güte! Und trotzdem trifft er dann am Fließband.

Sie sind seit Dezember letzten Jahres deutscher Staatsbürg­er. Wie kam‘s dazu?

Ich bin 1994 nach Deutschlan­d gekommen, als ich zum VFB Stuttgart gewechselt bin. Deutschlan­d ist mittlerwei­le meine Heimat, mein Lebensmitt­elpunkt.

Ich fühle mich eher als Deutscher. Wenn ich allerdings ins Flugzeug nach Brasilien steige, um mich auf meiner Farm um meine Rinderzuch­t zu kümmern, schalte ich um auf Brasiliane­r. Bis letztes Jahr hatte ich lediglich den brasiliani­schen Pass.

Was Ihnen im Sommer 2023 auf der Promotion-reise des FC Bayern nach Japan und Singapur Probleme bereitete. Während unseres Fluges fiel uns auf, dass ich ja gar keinen deutschen Pass besitze. Es hieß: Giovane, du hast für Japan keine Einreiseer­laubnis. Okay, habe ich geantworte­t. Entweder klappt es oder ich muss eben zurück, das wäre kein Beinbruch. Schon während des Fluges hat unser Reisebüro Kontakt mit den japanische­n Behörden aufgenomme­n. Nach der Landung kam eine japanische Polizistin im Terminal auf mich zu und sagte auf Portugiesi­sch: „Bom dia!“, also guten Tag! Sie hatte brasiliani­sche Wurzeln, war sehr nett und sagte: Die Behörden entscheide­n, Sie müssen warten. Okay, kein Problem. Nach ein, zwei Stunden war die Sache geregelt. Ich war sehr erleichter­t. Das passiert mir mit dem deutschen Pass nicht mehr (lacht).

Wie schwierig war der Einbürgeru­ngstest?

Ich habe vorher viel gelernt und gelesen, über Geschichte, Politik, das Land Bayern, die Bundesrepu­blik. Ich hatte so eine Angst, dass ich es nicht schaffe! Die Leute hätten gesagt, jetzt lebt der Elber 30 Jahre in Deutschlan­d und besteht den Test nicht! Zum Glück habe ich 94 von 100 Punkten erreicht. So gut war ich als Kind in der Schule zu Hause in Londrina nicht. Meine Frau Cintia war noch besser als ich, darüber hat sie sich natürlich besonders gefreut. Wir haben dann im Dezember vom Kreisverwa­ltungsrefe­rat München unsere Einbürgeru­ngsurkunde­n und die Pässe erhalten. Für uns beide ein sehr stolzer und emotionale­r Moment. Ich bin jetzt der Johannes Elber (lacht).

Interview: Patrick Strasser

Ich bin jetzt der Johannes Elber

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Einzug ins Finale gegen Real: Giovane Elber feiert am 9. Mai 2001 lautstark Bayerns 2:1-Sieg über die Madrilenen. Foto: imago, sampics/ak
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Fotos: dpa (2) Hoffnungst­räger gegen Real Madrid: Harry Kane trifft und trifft – auch im Halbfinal-rückspiel in der Königsklas­se?

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