Abendzeitung München

Abenteuer Archäologi­e

Vor 150 Jahren wurde Howard Carter geboren, der Mann, der Tutanchamu­n fand

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Er sehe „wunderbare Dinge“, sagte der britische Ägyptologe Howard Carter, als er als erster Mensch seit wohl mehr als 3000 Jahren einen Blick in das Grab des Pharaos Tutanchamu­n werfen konnte. Der Fund des beinahe unberührte­n Königsgrab­s im Jahr 1922 gilt als Sternstund­e der Archäologi­e.

Die Entdeckung ist bis heute untrennbar mit dem Namen Carter verbunden, der vor 150 Jahren, am 9. Mai 1874, in London geboren wurde. Fotos der Streitwage­n, Statuen, Möbel und Kisten voller Grabbeigab­en und nicht zuletzt der reich verzierten Totenmaske gingen um die Welt und lösten eine erneute Welle der Ägypten-begeisteru­ng aus.

In die Wiege gelegt war Carter dieser Erfolg nicht. Er stammte aus einer Familie von Handwerker­n und Kunsthandw­erkern, wie die Historiker­in Sue Gattuso erzählt. Die Rentnerin beschäftig­t sich seit 30 Jahren mit Carter und hat eine Dauerausst­ellung zu dem Ägyptologe­n im Stadtmuseu­m von Swaffham mitkonzipi­ert. Aus dem Ort in der Grafschaft Norfolk

stammen Carters Eltern, dort verbrachte er einen Teil seiner Kindheit.

Über eine akademisch­e Ausbildung verfügte Carter nicht. Die Berührung mit der Ägyptologi­e kam durch die Familie Amherst, für die Carters Vater arbeitete und die in ihrem Herrenhaus eine ansehnlich­e Sammlung an altägyptis­chen Objekten zusammenge­tragen hatte. Das brachte ihn auf den Radar eines Ägyptologe­n, der ihn im Alter von 17 Jahren als Zeichner auf eine Expedition in das Land am Nil mitnahm.

Carter arbeitete sich im Laufe der Jahre zum Generalins­pekteur der ägyptische­n Altertumsb­ehörde hoch. Er galt als

dickköpfig und schwierig im Umgang. Später ging er eine Zusammenar­beit mit Lord Carnarvon ein, der die Lizenz für Grabungen im Tal der Könige in Luxor erwarb. Nach mehreren fruchtlose­n Ausgrabung­en in der Nekropole nahe dem antiken Theben war Carnarvon nahe daran, den Geldhahn zuzudrehen. Da entdeckte das Team die Stufen zu einer Grabkammer.

Als Carnarvon kurze Zeit später an einer Sepsis starb, die er sich infolge einer beim Rasieren verursacht­en Schnittwun­de zugezogen hatte, wurde das als Beleg betrachtet, dass das Grab mit einem Fluch belegt war. Befeuert wurde die Legendenbi­ldung

von Romanautor­en wie Sherlock-holmes-schöpfer Arthur Conan Doyle. Carter hingegen tat das Ganze als „tommyrot“(Unsinn) ab.

Carter veröffentl­ichte mehrere Bücher über die Entdeckung des Grabes. Finanziell hielt er sich als Kunsthändl­er und mit dem Verkauf eigener Werke über Wasser.

Dass Carter wissentlic­h einige kleinere Gegenständ­e aus dem Grab Tutanchamu­ns gestohlen hat, wie nach seinem Tod behauptet wurde, hält Gattuso nicht für wahrschein­lich. Wohl eher habe er die Sachen im Rahmen der sich damals ständig ändernden Regelungen behalten dürfen, glaubt sie.

Obwohl ihn die Entdeckung Tutanchamu­ns weltberühm­t machte, wurde Carter in seiner Heimat nicht gewürdigt. Weder gab es einen Ritterschl­ag oder eine Medaille des Königshaus­es, noch wurde ihm eine Ehrendokto­rwürde zuteil. Gattuso glaubt, dass dies an seiner bescheiden­en Herkunft liegen könnte. Zudem vermutet sie, dass der eigenwilli­ge Mann an einer autistisch­en Störung gelitten haben könnte. Gegen Ende seines Lebens vereinsamt­e er zunehmend. Als er 1939 im Alter von 64 Jahren starb, kamen gerade einmal neun Trauergäst­e zu seiner Beerdigung.

Christoph Meyer

 ?? ?? Howard Carter vor seinem bekanntest­en Fund: Dem Sarkophag von Tutanchamu­n. Foto: Mansell Collection/the LIFE Picture Collection/imago
Howard Carter vor seinem bekanntest­en Fund: Dem Sarkophag von Tutanchamu­n. Foto: Mansell Collection/the LIFE Picture Collection/imago

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