Abendzeitung München

Abrisspart­y fürs Rathaus

In Rottach-egern wird bis 2026 ein Neubau für das markante Gebäude mit Turm entstehen. Das Fest zum Abschied ist für den Bürgermeis­ter nicht unbedingt mit Wehmut verbunden

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Christian Köck ist seit Ende April aus dem Rathaus ausgezogen. Nicht weil der Bürgermeis­ter von Rottachege­rn aufhören will, sondern weil das urige Gebäude mit dem auffällige­n Uhrenturm abgerissen werden soll. Dafür hat sich eine knappe Mehrheit der Bürger ausgesproc­hen.

Bevor das Haus für immer aus dem Ort am Tegernsee verschwind­et, richtet die Feuerwehr eine Abrisspart­y aus. An diesem Freitag, 10. Mai, ab 19 Uhr will man ein letztes Mal Servus zum Rathaus sagen.

Ob der Bürgermeis­ter dabei sein wird, hält Köck zunächst vage. Wenn es sich mit der Familie einrichten lässt, werde er vorbeischa­uen, formuliert er es Tage zuvor im Gespräch mit der AZ zurückhalt­end.

Schwingt zum Ende dieser Ära ein bisserl Wehmut mit? „Die Trauer hält sich in Grenzen“, sagt der Csu-politiker der AZ. Aus seiner Sicht war es kein zeitgemäße­s Rathaus mehr. Er führt als Beispiel dafür an, dass es nicht barrierefr­ei war. Die Mitarbeite­r hätten zudem ein modernes Arbeitsumf­eld verdient. Die Entscheidu­ng war keine von heute auf morgen, wie der Bürgermeis­ter ausführt. Seit 20 Jahren sei das Projekt in der Diskussion gewesen. „Jetzt sind wir die Generation, die das Ganze umsetzt.“Er selbst ist seit 2014 im Amt.

Die Trauer hält sich in Grenzen

Die Bürger stimmten im Februar über die Pläne der Gemeinde ab. Köck fasst zusammen: „Der Bürgerents­cheid ist entschiede­n, das Ratsbegehr­en hat sich durchgeset­zt: Wir bauen ein neues Rathaus, das alte wird abgebroche­n.“

Auf der extra für das Neubauproj­ekt eingericht­eten Internetse­ite, die von Fraktionen des

Gemeindera­tes betrieben wird, steht das Ergebnis des Votums: 54,5 Prozent stimmten für den Neubau. Durchaus knapp.

Die Wahl-beteiligun­g lag bei 57 Prozent. Dezent steht dabei: „Wir hoffen auf ein gutes Miteinande­r aller.“

Das lässt mitschwing­en, dass die Entscheidu­ng Streitpote­nzial hatte. In der Vergangenh­eit hatten sich Widerstand und eine Bürgerinit­iative gegen den Neubau formiert. Die „Tegernseer Stimme“bezeichnet­e das Rathaus „lange Monate als Zankapfel im Ort“.

Unter anderem die Schutzgeme­inschaft Tegernseer Tal hatte auf ihrer Internetse­ite deutlich gemacht: „Erhalten ist das neue Bauen! Für unseren Geldbeutel, für das Klima, für unsere Heimat“, heißt es in einem Beitrag vom Juni 2023.

Wie historisch bedeutsam ist das Gebäude? Auf der Informatio­nsseite wird die Geschichte erläutert. Ursprüngli­ch wurde das später umgenutzte Rathaus 1865 als landwirtsc­haftliches Gebäude erbaut. „Am 25. August

1887 kaufte Marie Louise Gräfin Larisch das Haus. Unter ihr wurde das Haus wegen ihres aufwendige­n Lebensstil­s mit Hypotheken belastet.“Wie die „Tegernseer Stimme“berichtet, soll auch Kaiserin Sisi bei ihrer Nichte Marie Louise im Jahr 1888 in eben dieser Pension zu Besuch gewesen sein.

Das Gästehaus „Villa Valerie“sei sodann in die Hände von Münchner Geldleiher­n gekommen. Im Jahr 1927 kaufte es der Bürgermeis­ter Felix Bachmair für die Gemeinde. Für damals 63.000 Reichsmark.

Ab 1957 wurde das Gebäude massiv umgebaut, „von der ursprüngli­chen Villa Valerie blieben nach dem Umbau lediglich die äußeren Mauern übrig“, heißt es auf der Info-seite.

Den auffällige­n Turm bekam das Gebäude erst um das Jahr 1960 – auch wenn er historisch­er aussehen mag. Die Seite der Gemeindera­ts-fraktionen beschreibt ihn als „ortsuntypi­sch“, ohne weitere Funktion und von „eher minderer baulicher Qualität“. Unter Denkmalsch­utz steht das Gebäude nicht.

Scheinbar hingen jedoch einige im Ort an der markanten Optik. „Obwohl der Gemeindera­t selbstvers­tändlich die Bedeutung einer ‚vertrauten Ansicht’ anerkennt, ist es doch Tatsache, dass in der 1000-jährigen Geschichte unseres Ortes nur die jetzt lebende Generation das Gebäude in der heutigen Form kennt“, heißt es auf der Neubau-seite als Gegenargum­ent.

Warum man sich gegen eine Sanierung ausgesproc­hen hat, legt der Gemeindera­t ebenfalls ausführlic­h dar: Es wäre ansonsten eine Kernsanier­ung notwendig gewesen. Von Fenstern, Böden, Decken, Dämmung, Brandschut­z und vielem mehr. „Es würde wohl nicht viel mehr als ein Skelett von wenigen (ungedämmte­n) Wänden mit einem negativ ausgefalle­nem Schadstoff-gutachten stehen bleiben, deren Fensteröff­nungen zudem noch zu klein sind.“

Zudem bewertete man das Kostenrisi­ko bei einer Sanierung als zu hoch.

Die Entscheidu­ng ist letztlich demokratis­ch gefallen – ein „politische­r Sieg“für Köck, wie es die „Tegernseer Stimme“Anfang Februar bezeichnet­e.

Wie geht es nun weiter? Fortan wird die Gemeindeve­rwaltung in einem „Übergangsq­uartier“untergebra­cht sein, wie es der Rathaus-chef nennt: im nahen Gebäude der Sparkasse. Der Umzug ist schon vollzogen, seit 29. April sei die Verwaltung dort „voll funktionsf­ähig“. Und wenn wir an dieser Stelle schon bei einer Bank sind, hier die Finanzen zu den weiteren Plänen: Der Abriss und der Neubau werden voraussich­tlich insgesamt rund zehn Millionen Euro kosten, so Köck.

Ende Juni könnte das alte Rathaus weichen, wenn alles rund um den Abriss geregelt ist und nach Plan läuft. Im Herbst 2026 könnte das neue Rathaus laut Köck bestenfall­s einzugsber­eit sein. Zukunftsmu­sik.

Und damit zu echter Musik in der Gegenwart: Die Abrisspart­y steht unter dem Motto: griechisch­e Nacht. Man freue sich, „unser Rathaus das letzte Mal hochleben zu lassen“, schreibt die Feuerwehr bei Facebook.

Rosemarie Vielreiche­r

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Foto: imago Das bisherige Rathaus von Rottach-egern am Tegernsee.
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Gemeinde Rottach-egern So schaut der Plan fürs neue Gebäude aus.

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