Der Berg warnt
Optisch spektakulär und herrlich verschroben: Die Doku „Bergfahrt“von Dominique Margot
Die durchgeknallte japanische Touristin, die zu Beginn dieser Dokumentation in der Seilbahn ihr Alpenlied anstimmt, wird sich im Laufe des Films noch als Künstlerin entpuppen und Dominique Margots spektakulär bebilderte „Bergfahrt“mit einigen schrägen Performances bereichern.
Anhand weniger Protagonisten entwirft die Schweizer Filmemacherin mit viel Eigenund Kunstsinn eine Meditation über die Berge, die bisweilen etwas esoterisch anmutet. Wir begegnen dem Tonfänger Claudio Landolf, der die Alpen mit dem Mikrofon dokumentiert und 21 Fragen an den Berg richtet („Wie klingt Deine Grundstimmung?“). Wir hören die Bewegungen des Matterhorns, das mit den Mondphasen schwankt, oder folgen der Bergführerin Carla Jaggi auf den Eiger, den Berg, der ihr den Lebensgefährten nahm. „Der Berg ist nicht Schuld“, sagt sie, „der Eiger findet das auch furchtbar“, wenn so ein „Menschlein“abstürze.
Sie sucht weiterhin ihren Seelenfrieden in jener lebensfeindlichen Welt aus bröckelndem Fels und schwindenden
Gletschern, der für die einen ein Kraftort des Lebens ist, für andere schlicht eine „Ertüchtigungsplattform“und „Plattform für Events“, wie es eine Botanikern voller Verachtung beschreibt, während sie akribisch die Entwicklung der Pflanzen im Hochgebirge festhält.
Obwohl sich Dominique Margot nicht als Erzählerin einmischt, ist ihre Haltung überdeutlich: Auf die Aussage eines Tourismusmanagers in Sölden, man müsse natürlich das Skigebiet ausweiten, weil es die Kunden so wünschten, folgen gespenstisch anmutende Aufnahmen von riesigen Schneeraupen, die nachts die Pisten für eben diese Kundenwünsche präparieren.
Besitzen Berge wirklich kosmischen Intelligenz, wie es ein Protagonist sagt? Zumindest ein langjähriger Ranger ist überzeugt, dass der Berg uns nicht nur ruft, sondern auch warnt, wenn es nicht der richtige Tag für eine Besteigung ist. Dann schmeiße er einen kleinen Kiesel auf den Menschen, dann noch einen, und wenn der Mensch diese Botschaft nicht verstehe, steige er halt seinem Unglück entgegen. Eines jedenfalls ist seit Millionen von Jahren sicher: Der Berg braucht uns nicht. Volker Isfort