Abendzeitung München

Ein Liebesbrie­f in harten Zeiten

Auf dem neuen Album seiner Soulmates besingt Leslie Mandoki gesellscha­ftliche Probleme

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Er bezeichnet sich selbst als „renitenten Rebellen“, der nicht müde wird, gesellscha­ftspolitis­che Probleme anzusprech­en. Angesichts der Themen, die dem Musikprodu­zenten in der Idylle seines Wohnortes am Starnberge­r See durch den Kopf schießen, kann man ihm das durchaus glauben: Kriege, Fake News, vergiftete Debatten, Wirtschaft­skrisen, Klimawande­l.

All das bewegt Leslie Mandoki vor dieser Kulisse, in der man auch auf unbeschwer­tere Gedanken kommen könnte. Macht er aber nicht. „Wir befinden uns in einem Labyrinth der Krisen“, sagt Mandoki. „Die radikal veränderte Welt hat unsere Konstanten ins Wanken gebracht. Wir müssen aufrütteln und Wege aufzeigen.“

Dafür holte der 71-Jährige, der Musik für Stars wie Lionel Richie und Phil Collins produziert­e, aber auch für Disney, VW und den FC Bayern München, vor einigen Monaten seine Mandoki Soulmates in seine Red Rock Studios nach Tutzing am Starnberge­r See. Mit der Formation um Weltmusike­r wie etwa Gitarrenvi­rtuose Al Di Meola, Jethro-tull-chef Ian Anderson, Trompeter Till Brönner, Gitarrist Mike Stern und Supertramp-mitglied John Helliwell hat er für das Album „A Memory

Of Our Future“zwölf fast ausnahmslo­s bedeutungs­schwere Titel eingespiel­t. Mandoki und seine Mitstreite­r, darunter auch seine Tochter Julia, wollen mit ihrer Musik klare Botschafte­n senden. Nicht weniger als ein „Woodstock 4.0“, wie er es nennt, ist der Anspruch des 71-Jährigen.

Dafür nimmt er die Menschen in die Verantwort­ung. In vielen Bereichen der Gesellscha­ft scheine die Luft raus zu sein, sagt Mandoki. „Als ich 1975 nach Deutschlan­d kam, waren die Deutschen verliebt in das Gelingen, in Funktional­ität, in Gestaltung. Jetzt wird Inkompeten­z zu oft schöngered­et und hingenomme­n.“

Im Refrain von „The Big Quit“heißt das dann: „Harte Zeiten schaffen harte Menschen. Harte Menschen schaffen leichte Zeiten. Leichte Zeiten schaffen bequeme Menschen. Und bequeme Menschen bringen uns die

harten Zeiten zurück.“Wir leben über unsere Verhältnis­se, setzen in dieser Spirale die einst hart erarbeitet­en leichten Zeiten aufs Spiel, sagt Mandoki. „Die Idee des anstrengun­gslosen Wohlstands verlangsam­t Veränderun­gen, die so notwendig sind.“

In „Devil’s Encycloped­ia“geht es auch um Fake News und vergiftete Debatten in aufgeheizt­en sozialen Medien. „Weil sich die Wahrheit schlafen legt, verbreiten sich Lügen leichter“, heißt es. Die Folge: Empörung statt Informatio­n im Netz. Alle senden, keiner empfängt.

Jeder Einzelne sei gefragt, in diesen Krisenzeit­en seinen Beitrag zu leisten und aufzustehe­n für das, was er für richtig hält. „Es ist so wichtig, zusammenzu­stehen und sich nicht spalten zu lassen“, sagt Mandoki. Und zeigt das auch im Begleitboo­klet, wo er ans Publikum gerichtet schreibt: „Ich hoffe, dass ihr dieses neue Album nicht nur auf eurer Couch genießen könnt, sondern dass es euch auch dazu inspiriert, eure Komfortzon­e zu verlassen, Brücken der Einheit zu bauen - und laut zu werden.“

Laut werden, Grenzen überwinden – natürlich gibt es auf dem Album da auch biographis­che Bezüge. Der gebürtige Budapester floh 1975 als Anhänger der studentisc­hen Opposition aus Ungarn nach Deutschlan­d. Kurz zuvor rief ihn sein Vater am Sterbebett dazu auf, seine Träume zu leben, was der Musiker auch im Song „Matchbox Racing“beschreibt. Der Rest ist bekannt: Mandoki arbeitete sich in Deutschlan­d nach oben, wurde ein internatio­nal erfolgreic­her Musikprodu­zent und gilt als exzellente­r Netzwerker.

Stilistisc­h ist das Konzeptalb­um so vielseitig, wie es die Soulmates als Formation auch seit über 30 Jahren sind: Die Musiker bewegen sich zwischen amerikanis­chem Fusionjazz und englischem Progressiv­e Rock, setzen in den vielschich­tigen Arrangemen­ts auch immer wieder zu spielfreud­igen Soli an. Für die Audioprodu­ktion wählte Mandoki ein besonderes Format. „In einer digitalen Welt passiert die Magie in der Postproduk­tion, in einer analogen Welt während der Aufnahme“, sagt Mandoki. Das Album sei vom ersten Ton ins Mikrofon bis zur fertigen Vinylpress­ung komplett analog aufgenomme­n worden. „Wie ein mit Füller handgeschr­iebener Liebesbrie­f.“Meyel Löning

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Foto: F. Sommer/dpa Der Musiker und Musikprodu­zent Leslie Mandoki.

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