Erfüllte Beziehungen pflegen
Ja, wir haben die Chance, das Verhältnis zu Freunden, Verwandten und Kollegen zu verbessern. Dazu braucht es eine Mischung aus Achtsamkeit, Geduld und Wertschätzung, vor allem uns selbst gegenüber
Wenn wir dauerhafte und glückliche Beziehungen mit anderen Menschen führen möchten, müssen wir als Erstes eine umfassende Liebe uns selbst gegenüber entwickeln. Das ist allerdings gar nicht so leicht – wird Selbstliebe doch fälschlicherweise häufig mit Egoismus verwechselt.
Haben wir uns selbst gegenüber kein offenes Herz und entwickeln wir kein gesundes Maß an Loyalität und Respekt, werden wir auch keine tiefen Beziehungen mit anderen Menschen führen können. Dies haben in den letzten Jahren zahlreiche Forschungen gezeigt.
Die Grundlage aller Beziehungen: Loyalität sich selbst gegenüber
Eine Studie des amerikanischen Neuropsychologen Rick Hanson machte sogar deutlich, dass ein gesundes Maß an Selbstliebe und Selbstmitgefühl sogar dazu führt, dass wir uns mit anderen Menschen verbundener fühlen.
Kein Wunder also, dass er im ersten Kapitel seines Buches „Der achtsame Weg zu erfüllten Beziehungen“zahlreiche Tipps gibt, wie wir eine erfülltere Beziehung mit uns selbst entwickeln können.
Loyalität sich selbst gegenüber zu entwickeln stellt für ihn die Grundlage aller Beziehungen dar.
Wie loyal sind Sie sich selbst gegenüber? Wie häufig bringen Sie sich selbst uneingeschränkt ein großes Maß an Ermutigung, Unterstützung, Mitgefühl und Respekt entgegen?
Wie oft spielen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle herunter und tun sie als unwichtig ab? Und wie oft sabotieren Sie sich selbst und befeuern sich mit harscher Kritik, wenn nicht alles rund läuft?
Wir unterstützen andere Menschen gerne mit Rat und Tat darin, ihre gesundheitlichen und beruflichen Ziele zu verfolgen und zu erreichen. Wenn es aber darum geht, uns um unser eigenes Wohlergehen zu kümmern, sind wir träge und haben Angst, uns vorwärtszubewegen.
Sind wir hingegen uns selbst gegenüber loyal, werden sich auch unsere Beziehungen zu anderen Menschen positiv verändern, weil wir nicht mehr abhängig von ihnen sind.
So geht’s:
Vergegenwärtigen Sie sich, wie es sich anfühlt, einem Menschen, der Ihnen wichtig ist, gegenüber loyal zu sein. Nehmen Sie wahr, welches Gefühl in Ihnen aufsteigt. Vielleicht sind es warmherzige Unterstützung und der Wunsch, alles zu tun, was in Ihrer Macht steht, um ihm zur Seite zu stehen.
Wenden Sie diese Haltung nun auf sich selbst an. Vielleicht fällt es Ihnen leichter, Ihre Loyalität erst dem anderen Menschen gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Stellen Sie sich vor, wie Sie ihm sagen: „Ich bin dir gegenüber loyal.“Oder: „Ich denke darüber nach, was am besten für dich ist.“Oder: „Dein Leben ist wirklich wichtig.“
Wie fühlt es sich an, solche Sätze zu sagen? Fällt es Ihnen leichter, stärkende Aussagen an andere zu richten, statt zu sich selbst?
Sprechen Sie dann die folgenden Sätze laut aus: „Meine Bedürfnisse und Wünsche sind wichtig.“Oder: „Ich bin entschlossen, das zu tun, was gut für mich ist, auch wenn ich Angst davor habe.“
Mit Blockaden umgehen
Diese kurzen, aber wirksamen Sätze können Sie mit Ihrem eigenen Geist vertraut machen. Erkunden Sie, wie es sich anfühlt, wenn Sie sie laut für sich selbst aussprechen. Sind Sie zögerlich gewesen, während Sie diese Sätze gesprochen haben? Haben Sie das Gefühl, diese Art von Unterstützung nicht verdient zu haben?
Rick Hanson fand heraus, dass die Loyalität uns selbst gegenüber häufig durch folgende Faktoren blockiert wird:
➤ die Überzeugung, dass die Loyalität sich selbst gegenüber egoistisch, ungerecht oder falsch ist.
➤ die Scham, Unterstützung – auch von sich selbst – nicht wirklich verdient zu haben.
➤ das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, der Sinnlosigkeit und der Hilflosigkeit, welches gespeist wird durch das Gefühl, dass es sowieso nicht funktioniert, sich selbst durch ausgesprochene Sätze zu stärken.
➤ Gleichgültigkeit oder Geringschätzung gegenüber eigenen Anteilen.
Die gute Nachricht ist: Wir können diese Hindernisse überwinden, indem wir ein wohlwollendes Maß an Achtsamkeit entwickeln, indem wir uns unserer Gedanken und Gefühle bewusst werden und sie verändern, wenn sie sich gegen uns selbst richten. Dazu müssen wir uns lediglich ein wenig von ihnen distanzieren, statt uns von ihnen überwältigen zu lassen.
Ihr Geist, ein wunderbarer Garten
Stellen Sie sich Ihren Geist als einen Garten vor: Sie können Unkraut zupfen (sich von destruktiven Selbstvorwürfen befreien), und Sie können etwas anpflanzen (Loyalität sich selbst gegenüber). Mit anderen Worten: Seinlassen, loslassen, hineinlassen.
So geht’s:
➤ Seinlassen
Versuchen Sie, sich für Ihr Erleben zu öffnen und ganz damit zu sein. Stellen Sie sich vor, jemand hätte Sie kritisiert. Identifizieren Sie Ihre verschiedenen Reaktionen, indem Sie aufzählen, was Sie wahrnehmen: verärgert… verletzt… das ist ungerecht.. erschrocken… ich möchte am liebsten kontern…
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass bereits das Benennen dabei hilft, die Alarmglocke im Gehirn zu beruhigen und Ihnen selbst wohlwollender gegenüber zu sein.
Manchmal ist das Seinlassen alles, was wir tun können. Vielleicht haben Sie einen Schock durch den Verlust eines Menschen erlitten. Und jedes Mal, wenn Sie an ihn denken, spült eine Welle der Trauer über Sie hinweg.
Während Sie heilen und wachsen, ruhen Sie zunehmend in dem Gefühl des grundlegenden Wohlbefindens, wenn diese Erfahrung durch Ihr Bewusstsein zieht.
Manchmal müssen wir aber auch mit dem Erleben arbeiten, weil schmerzhafte Gedanken, Gefühle und Sehnsüchte sich im Allgemeinen nicht verändern, wenn wir uns nicht aktiv darum bemühen. Dabei wird alles verstärkt, was Sie kultivieren möchten. Angefangen von sozialer Kompetenz bis zu einem gesunden Gefühl des Selbstwertes, der Ruhe und Zufriedenheit.
➤ Loslassen
Vielleicht sind Sie bereits ein paar Atemzüge oder ein paar Minuten bei Ihrem Erleben und bereit, damit zu arbeiten. Dann können Sie Ihre Gedanken und Gefühle sanft frei geben.
Bleiben wir bei dem Beispiel, dass Sie kritisiert wurden. Ein heilvoller Umgang damit wäre: ➤ Lösen Sie ganz bewusst den Krampf in Ihrem Magen, indem Sie in Ihren Bauch atmen und ihn weich und locker machen. ➤ Fechten Sie Ihre eigenen selbstkritischen Gedanken mit folgenden Fragen an: „Was an der Kritik ist schlichtweg nicht wahr, weshalb ich mir auch keine weiteren Gedanken darüber machen muss?“Oder: „Den Gedanken, ich sei dumm, ein Versager oder nicht liebenswert, möchte ich sagen: ,Stimmt nicht! Ich bin in verschiedenster Weise durchaus klug und erfolgreich und ich bin auf jeden Fall liebenswert!’“
➤ Lösen Sie sich von der übermächtigen Beschäftigung mit der Vergangenheit und konzentrieren Sie sich auf die Gegenwart. Stellen Sie sich vor, Sie hielten Ihre Reaktion wie Steine in der Hand, die Sie dann öffnen, um die Steine loszulassen.
➤ Hineinlassen
Konzentrieren Sie sich jetzt auf das Nützliche und Freudvolle und verstärken Sie dies. Im Garten Ihres Geistes pflanzen Sie dort, wo vorher Unkraut war, schöne Blumen. Wenn Sie beispielsweise kritisiert wurden, könnten Sie sich
➤ innerlich aufrichten, wenn Sie sich etwas zusammengekrümmt haben, um sich zu schützen.
➤ einige aufmunternde Sätze zu sich selbst sagen, wie zum Beispiel: „Ich mache jeden Tag so vieles richtig!“Oder: „Jeder macht Fehler. Es ist nicht das Ende der Welt, wenn ich Fehler mache.“
➤ sanft aufbauende Gefühle einladen. Besonders solche, die dem entgegenwirken, wie Sie sich gerade fühlen. Häufig fühlen wir uns durch Kritik herabgesetzt oder abgewiesen. Sie können sich jetzt erinnern, wie es sich anfühlt, mit einem Menschen zusammen zu sein, der Sie liebt oder respektiert.
➤ Überlegen Sie sich, was Sie aus dieser Situation oder von der Kritik lernen können. Und sei es nur die Einsicht, dass Sie sich von solchen Menschen distanzieren, die Sie nicht gut behandeln.
Bleiben Sie ein paar Atemzüge oder nach Möglichkeit noch länger bei diesen positiven Empfindungen. Stellen Sie sich vor, dass jede Zelle Ihres Körpers diese wohltuende Wirkung aufnimmt. Und machen Sie sich bewusst, dass durch dieses Erleben anhaltende Veränderungen in Ihrem Gehirn stattfinden werden.
Ohne diese unmittelbaren Veränderungen in Ihrem Nervensystem fühlt sich das Erlebte in diesem Moment zwar gut an, aber Sie werden nicht daraus lernen. Es findet keine unmittelbare Heilung statt.
Nur dann, wenn Sie diese Empfindung in der Tiefe fühlen und in Ihr gesamtes System integrieren, werden Sie sich zufriedener fühlen. Und je zufriedener Sie mit sich selbst sind, desto glücklicher und langfristiger werden auch Ihre Beziehungen sein.