Das Ende von Bonnie und Clyde
Das berüchtigte Verbrecher-duo hat Kult-status erlangt, obwohl es Menschen umgebracht hat. Am 23. Mai 1934 stoppt die Polizei das Pärchen
Vor 90 Jahren fand das vielleicht berühmteste Katz-und-maus-spiel der Us-amerikanischen Geschichte in einem Kugelhagel sein Ende: Im Nirgendwo des Us-bundesstaates Louisiana wurden Bonnie Parker und Clyde „Champion“Barrow von einer Gruppe Polizisten überrascht, die nahe der Ortschaft Sailes aus einem Hinterhalt hervortraten.
Bevor der Ford Deluxe des Duos zum Stehen kann, durchsiebten die Polizisten den Wagen mit weit über 100 Kugeln – und töteten am 23. Mai 1934 das berühmte Gangsterpaar.
Neun Jahrzehnte sind seit dem Ende der beiden Kriminellen aus Texas vergangen, doch bis heute sind die beiden legendär. Zahlreiche Bücher, Filme und Lieder erzählen von ihren ruchlosen Taten. Vor allem Arthur Penns Film „Bonnie und Clyde“(1967) mit Warren Beatty und Faye Dunaway hat dem Verbrecherpärchen Kultstatus verschafft.
Doch wer war dieses oft idealisierte Paar, das keineswegs nur für ein paar kleinere Delikte gejagt wurde, sondern eine Reihe von Morden zu verantworten hatte?
Kennengelernt hatten sich die beiden 1930. Sie waren beide Anfang 20, kamen aus ärmlichen Verhältnissen in den Slums von Dallas und träumten von einem besseren Leben. Bonnie Parker, eine künstlerisch begabte und ambitionierte Frau, hatte eine zerbrochene Ehe hinter sich; ihr Mann saß wegen Mordes im Gefängnis. Clyde Barrow verdingte sich als Gauner und Gelegenheitsdieb.
Es ist damals Liebe auf den ersten Blick. Doch bald darauf kommt Clyde für zwei Jahre hinter Gitter. Als er wieder freigelassen wird, ist er ein verbitterter, rachsüchtiger Mann. Er will lieber sterben als nochmals ins Gefängnis. Und setzt alles daran, dem texanischen Justizsystem heimzuzahlen, was ihm in dem „dreckigen Höllenloch“angetan wurde.
Die gemeinsame Kriminalkarriere beginnt: Zu zweit oder mit Komplizen schlägt sich das Pärchen in geklauten Autos durchs Land. Jedes Mal, wenn ihnen das Geld ausgeht, inszenieren die beiden einen Überfall, und immer öfter greift Clyde
dabei zur Pistole. Bis die Polizei am Tatort auftaucht, sind die beiden wie vom Erdboden verschluckt. Zeitungen quer durchs Land berichten fasziniert von der Verfolgung.
Das Blatt wendet sich erst, nachdem die Bande Anfang 1934 fünf Gefangene aus Clydes verhasstem Gefängnis befreit. Die Polizei tut sich über die Grenzen der Bundesstaaten hinweg zusammen und setzt zu einer koordinierten Jagd an.
Als die beiden am besagten Morgen des 23. Mai von einer Party zurückkehren, locken die Beamten sie am Rand einer Überlandstraße in einen Hinterhalt und eröffnen das Feuer.
Am Ende bleibt eine Bilanz von mehr als einem Dutzend Morden, einigen Banküberfällen sowie zahllosen Autodiebstählen und Einbrüchen. Dabei gingen Bonnie und Clyde oft dilettantisch
vor, hatten aber schon zu Lebzeiten eine Art Kultstatus: Trauben von Menschen fanden sich am entlegenen Tatort ein. Einer der Schaulustigen schnitt Bonnie eine Locke ab und nahm einen Fetzen ihres blutgetränkten Kleides als Souvenir mit.
Ein anderer versuchte, Clyde das Ohr abzutrennen. Der Gerichtsmediziner musste die „zirkusähnliche Atmosphäre“, wie er schimpfte, mit einem Machtwort beenden.
Was die beiden zu Idolen weit über ihre Generation hinaus machte, liegt nach Ansicht von Forschern zum Teil in der Zeit ihrer Taten während der Weltwirtschaftskrise begründet. Viele konnte sich mit Bonnie und Clyde als Rebellen gegen das System und die grassierende Armut identifizieren.
Manchen erschienen sie ein wenig wie Robin Hood – als
Rächer für das Versagen des Staates. Dass auch noch Liebe im Spiel war, machte die Sache sicher noch reizvoller und die Medien feuerten die Sehnsucht erzeugende Erzählung von Freiheit und Selbstbestimmung weiter an.
Am Ende gaben Bonnie und Clyde Millionen Us-amerikanern eine Story zum Träumen – obwohl sie Leben von Menschen beendeten und Familien zerstörten. Ihr letzter Wunsch war es, gemeinsam begraben zu werden: „Eines Tages werden sie zusammen untergehen, und man wird sie Seite an Seite begraben“, heißt es in einem Gedicht, das Bonnie ihrer Mutter beim letzten Besuch gab. Den Gefallen tut die Familie ihr nicht – sie werden in Dallas auf zwei verschiedenen Friedhöfen beerdigt. Auf seinem Grabstein steht: „Gegangen, aber nicht vergessen“. B. Schwinghammer