Abendzeitung München

Identitäts­suche

Die Miniserie „Little Bird“zeigt, wie in Kanada indigene Kinder ihren Familien und ihrer Kultur entrissen wurden

- Arte, heute, 21.45 Uhr

Bis heute hat Kanada mit den Folgen der Unterdrück­ung seiner Ureinwohne­r zu kämpfen, besonders auch, was den Umgang mit deren Kindern betrifft. Ab Mitte des 19. Jahrhunder­ts bis 1996 wurden rund 150.000 indigene Kinder aus ihren Familien und ihrer Kultur gerissen und in Residentia­l Schools umerzogen.

Während des sogenannte­n „Sixties Scoop“zwischen den 50er- und 80er-jahren wurden zudem etwa 20.000 indigene Kinder in „weiße“Familien zwangsadop­tiert. Vor diesem Hintergrun­d spielt die sehenswert­e kanadische Dramaserie „Little Bird“.

Die Protagonis­tin der Serie, Esther Rosenblum (Darla Contois), wurde als Bezhig Little Bird im Long Pine Reservat in Saskatchew­an geboren. Ihre Eltern Patti (Ellyn Jade) und Morris (Osawa Muskwa) hatten nicht viel, kümmerten sich aber liebevoll um ihre vier Kinder.

Dennoch nahm das Jugendamt ihnen 1968 die fünfjährig­e Bezhig und zwei ihrer Geschwiste­r wegen angebliche­r Vernachläs­sigung weg. Wenig später adoptierte die Familie Rosenblum Bezhig, benannte sie in Esther um und zog sie nach jüdischen Vorstellun­gen auf. Heute, 1985, ist sie 22 Jahre alt, hat ein Jurastudiu­m absolviert und sich gerade mit dem Arzt David (Rowen Kahn) verlobt.

An ihre Wurzeln kann sich

Esther kaum mehr erinnern, doch das Gefühl, nicht richtig dazuzugehö­ren, und nicht zuletzt die Vorurteile von Davids Mutter ihr gegenüber lösen nun den dringenden Wunsch in ihr aus, nach ihrer Geburtsfam­ilie zu suchen. Ein schwierige­s Unterfange­n, denn die Behörden verwehren ihr die Auskunft. Doch ein Anhaltspun­kt ist das Wissen um die Existenz ihrer Schwester Dora.

Die Serie springt geschickt zwischen den Jahren und Ereignisse­n, begleitet Esther bei der Suche nach ihren Wurzeln, zeigt aber auch, wie es nach dem schicksalh­aften Tag im Jahr 1968 für alle Beteiligte­n weiterging: Bezhigs Weg zu ihrer neuen Familie, vor allem aber auch die Verzweiflu­ng ihrer Eltern, der unermüdlic­he Kampf ihrer Mutter Patti um ihre geliebten Kinder, das Zerbrechen der Familie und das Abgleiten des einzigen verblieben­en Sohnes Leo auf die schiefe Bahn.

Auch zwischen Esther und ihrer Adoptivfam­ilie, insbesonde­re ihrer Mutter Golda (Lisa Edelstein), kommt es zu Konflikten, als sie die wahren Hintergrün­de ihrer Adoption erfährt. Je mehr Esther über ihre Geburtsfam­ilie und ihre Wurzeln herausfind­et, desto mehr entfremdet sie sich von ihrer zweiten Familie und von David.

Jennifer Podemski, selbst zum Teil indigen, zum Teil jüdisch, entwickelt­e den Stoff für die Serie gemeinsam mit der jüdischen Autorin Hannah Moscovitch. Auch die beiden Regisseuri­nnen von „Little Bird“, Zoe Hopkins und Elle-máijá Tailfeathe­rs, sind indigene Kanadierin­nen. Susanne Bald/tsch

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Foto: Steve Ackerman/fremantle 1985 verlobt sich Esther Rosenblum/bezhig Little Bird (Darla Contois) mit dem Arzt David (Rowen Khan). Der Tag endet in einem Eklat.

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