Ohne Deutsch gibt es keine Lehrstelle
600 Flüchtlinge beginnen in Baden-Württemberg eine Ausbildung. Es läuft gut im Hotel und beim Friseur
Sahine I. hat sich schnell auf die Spezialitäten im Hotel-Restaurant Scharfes Eck eingestellt. Maultaschen serviert das Lokal in Mühlacker (Enzkreis) in allen Variationen und der 20-jährige Flüchtling, der im syrischen Aleppo mit seinem Vater ein Haus mit arabischer Küche betrieb, kocht sie mit Begeisterung. Anfang September hat Sahine I. seine Kochlehre begonnen – noch mit bescheidenen Deutschkenntnissen.
Wirtin Karin Frommherz ist trotzdem überzeugt, dass die Ausbildung ein Erfolg wird: „Wir sind froh, dass wir ihn bekommen haben.“Bis der Blockunterricht in der Berufsschule beginnt, soll Sahine I. sprachlich gefördert werden. Vieles lernt er im beruflichen Alltag in der Küche. Vor eineinhalb Jahren kam er erstmals als Praktikant ins Scharfe Eck. Da konnte er noch gar kein Deutsch.
„Das erste Jahr war schwierig“, erzählt der 20-Jährige. Er ist hoch motiviert: „Ich will mehr lernen.“Das in der deutschen Küche weitverbreitete Schweinefleisch ist für den Moslem kein Problem. „Zum Probieren rufe ich mir jemand“, gibt er sich pragmatisch.
Wie Sahine I. haben im September in Baden-Württemberg 600 Flüchtlinge eine betriebliche Ausbildung begonnen. Die allermeisten sind schon deutlich länger als ein Jahr in Deutschland. „Die große Welle der Flüchtlinge kommt erst 2018 auf den Ausbildungsmarkt“, betont Christian Rauch, der Chef der Regionaldirektion für Arbeit. Denn der große Zustrom von Asylbewerbern war in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres. „Realistisch dauert es ein bis zwei Jahre von der Ankunft bis zur Ausbildungsreife“, sagt Rauch. Die für die Berufsschule notwendigen Sprachkenntnisse ließen sich nur im Idealfall in den veranschlagten neun Monaten erwerben.
98000 Asylbewerber kamen allein 2015 nach Baden-Württemberg, die meisten zwischen 15 und 35 Jahre alt. Zwei Drittel der bei den Jobcentern als arbeitssuchend gemeldeten Flüchtlinge haben noch keine berufliche Qualifikation, manche sind Analphabeten. BadenWürttembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut weiß: „Wir müssen weitere Anstrengungen unternehmen.“Den ganzen Freitag hat sich die CDU-Politikerin Zeit genommen, um sich in Betrieben über gelungene Integrationsbeispiele zu informieren.
Ganz bewusst hat sich Anita Spindler für die Einstellung von drei jungen Frauen mit Migrationshintergrund in ihrem Pforzheimer Friseursalon entschieden. „Wir wollen multikulti in der Belegschaft, weil auch unsere Kundschaft multikulturell ist“, sagt sie. Nach einem Schnupperpraktikum hat Spindler Schurooq Q. eine Ausbildungsstelle angeboten. „Sie hat ein natürliches Talent“, lobt die Chefin deren Umgang mit der Schere und ihre Aufgeschlossenheit gegenüber Menschen. Zwei halbe Tage wird die 18-Jährige für einen Sprachkurs freigestellt. „Das Wollen ist da, nur die Sprache fehlt“, sagt Spindler.
Es ist wohl kein Zufall, dass die Erfolgsbeispiele für eine gelungene berufliche Integration in Dienstleistungsbranchen zu finden sind. Friseure tun sich seit geraumer Zeit schwer, Nachwuchs zu finden. Noch gravierender ist die Notlage im Hotel- und Gaststättengewerbe. Umgekehrt scheuen viele Flüchtlinge eine dreijährige Berufsausbildung. „Sie haben eine hohe Motivation, aber auch das Interesse, schnell Geld zu verdienen“, schildert Christian Rauch das Dilemma.
Der 24-jährige Mohammed aus Syrien hat es schon nach einem Jahr geschafft. Beim Stuttgarter Zulieferkonzern Mahle hat er einen Platz für ein duales Studium ergattert. Er hat vor der Flucht schon Elektronik studiert und will jetzt an der Hochschule Esslingen darauf aufbauen. Deutsch hat sich der sympathische Mann zum Teil selbst beigebracht. Er träumt davon, später in Syrien eine Straßenbahn zu bauen.