Ancelottis später Fingerzeig
Nach dem Ausgleich in der Nachspielzeit wird Bayerns Trainer bespuckt. Anschließend zeigt der Coach den Mittelfinger – nicht der einzige Aufreger beim 1:1 in Berlin
Diesen heiklen Berlin-Abstecher wird Carlo Ancelotti nicht so schnell vergessen. Erst hatte eine aufmüpfige Hertha seine Bayern ganz kurz vor einer Niederlage. Dann rettete sein „fantastischer Stürmer“Robert Lewandowski in der Nach-Nachspielzeit wenigstens einen Punkt. Und schließlich ließ sich der Italiener im großen Chaos nach dem 1:1 in der 96. Spielminute auch noch zu einem MittelfingerGruß gegen Hertha-Fans hinreißen. „Ich habe diese Geste gemacht, ich bin vorher angespuckt worden“, verteidigte sich Ancelotti in der ARD-Sportschau. Der DFB werde sich mit dem Vorfall beschäftigen, hieß es am Sonntag.
Dass seine Stars vor 74 667 Zuschauern in Berlin das Wechselspiel zwischen großer KönigsklassenBühne und grauer Fußball-Bundesliga fortsetzten, hatte der Münchner Chefcoach praktisch schon vor dem Anpfiff angekündigt. Wie die mutigen Herthaner allerdings mit viel Einsatz, Kontrolle und Mut dem Favoriten zusetzten, konnte Ancelotti über weite Strecken nicht gefal- len. Erst als er seinen zunächst geschonten besten Torschützen Lewandowski nach einer Stunde auf den ramponierten Rasen des Olympiastadions schickte, erspielte sich der Tabellenführer immer mehr Ausgleichsmöglichkeiten.
Der Treffer fiel dann zu einer Zeit, als die angezeigten fünf Minuten Nachspielzeit schon abgelaufen waren. Was wiederum Ancelottis Kollegen Pál Dárdai kräftig in Rage versetzte. „Ein bisschen böse bin ich schon, dann müssen auch sechs Minuten angezeigt werden. Ein Tick Bonus für den Gegner“, sagte Dárdai nach dem späten Abpfiff von Schiedsrichter Patrick Ittrich. Das neunte Saisontor von Vedad Ibisevic (21.), mit dem der Bosnier seine persönliche 656-minütige Ladehemmung beendete, reichte am Ende nur zum ersten Punkt gegen die Münchner nach acht Jahren. „Es wäre nicht unverdient gewesen, wenn wir gewonnen hätten. Aber das sind die Bayern. Sie haben diese Kraft, dass sie in der Endphase da sind“, sagte Dárdai später realistischer. Andere sprachen vom seit Jahren bekannten Bayern-Dusel, der 2017 zum Rekordmeister zurückgekehrt ist.
Kapitän Philipp Lahm wies dies strikt zurück: „Bei anderen Teams heißt es, sie haben eine super Moral. Bei uns ist es der Bayern-Dusel.“Man habe auch in diesem Spiel auf schwierigem Boden – Hertha lässt erst in dieser Woche den Rasen wechseln – gesehen, dass die Mannschaft alles gebe, bemerkte der Routinier auf Abschiedstour. Allerdings schloss Lahm auch an: „Wir müssen konstant auf hohem Niveau spielen und können uns nicht immer darauf verlassen, dass wir am Ende immer ein Tor schießen.“Dieses Mal klappte es, auch weil Hertha die durchaus vorhandenen Chancen auf ein zweites Tor liegen ließ und Lewandowski wieder einmal goldrichtig stand.
„Das ist schon bitter. Ich sehe nur noch, wie der Ball einschlägt“, sagte Berlins Niklas Stark, der auch wenige Zentimeter von Lewandowski entfernt den 16. Saisontreffer des Polen nicht verhindern konnte. „Später geht es nicht. Wenn du in letzter Sekunde ein Tor schießt, bedeutet das für die ganze Mannschaft, dass du im nächsten Spiel noch stärker wirst“, meinte der finale Torschütze. Schließlich war auch noch Ancelotti versöhnt. „Ich werde das Datum rot im Kalender markieren. Das erste Mal in Berlin war eine sehr schöne Erfahrung“, erklärte der Mister höflich in der offiziellen Medien-Fragerunde.
Und Hertha-Coach Dárdai verabschiedete sich mit dem Fazit: „Mit der Art und Weise bin ich sehr zufrieden. Aber jetzt habe ich eine traurige Mannschaft nach einem grandiosen Spiel.“(dpa)