„Trump ist kein Hitler“
Kurz nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten werden in den USA Parallelen gezogen zum Deutschland der 1930er Jahre. Der Historiker Andreas Wirsching erklärt, warum er die amerikanische Demokratie für stark hält
Der US-Historiker Timothy Snyder sieht in den ersten Wochen der Präsidentschaft von Donald Trump „das Playbook der Dreißiger“und sieht „unheimliche“Ähnlichkeiten. Anne Franks Stiefschwester Eva Schloss verglich Trump schon im Wahlkampf mit Adolf Hitler. Der Direktor des Institutes für Zeitgeschichte (IfZ) in München, Andreas Wirsching, sieht ebenfalls einige Parallelen – aber noch viel mehr Unterschiede.
In den USA diskutieren nicht nur Historiker über Parallelen zwischen Donald Trump und Deutschland in den 1930er Jahren. Wie nehmen Sie diese Diskussion wahr?
Teilweise mag das übertrieben sein, aber der neue Präsident handelt – um es mal so zu sagen – unorthodox und gegen alle Kontinuitäten der amerikanischen Geschichte. Man ist also offenkundig alarmiert in den USA – und das sicher auch zu Recht.
Warum zu Recht?
Die Art und Weise, wie Trump Wahlkampf gemacht hat, seine Inaugurationsrede und sein jetzt erkennbarer Regierungsstil sind ein Bruch mit vielen Konventionen, demokratischen Gepflogenheiten und Traditionen, die zur USamerikanischen Demokratie gehören. Seine Inaugurationsrede war eine spalterische Rede und eine Kampfansage gegen das, was man populistisch als Washingtoner Establishment bezeichnet.
Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Trump und der Justiz?
Da frage ich mich, ob ein planmäßiges Verhalten dahintersteht. Denn wenn ein Machtvakuum entsteht, dann kann ein starker Mann in der Exekutive davon profitieren. Das ist eine historische Erkenntnis. Mit seinen Dekreten, vor allem seinem Erlass zum Einreiseverbot für Muslime, hat er Rechtsunsicherheit geschaffen. Diese ist durch die Justiz zwar erst mal aufgehoben – die Frage ist nur: Wie lange? Wir werden künftig einen stärkeren Gegensatz zwischen Regierung und Justiz erleben. Trump wird versuchen, durch Erlasse die eigenen Handlungsspielräume zu erweitern. Das könnte planhaft sein.
Wie sehen Sie die Rolle seiner Berater und vor allem den Einfluss des hoch umstrittenen Steve Bannon?
Das ist schwer einzuschätzen, weil wir das Verhältnis von Trump und seinen Beratern noch zu wenig kennen. Überhaupt ist die neue Regierungsmannschaft noch recht fragil, wie die jüngsten Rücktritte unterstreichen. Allerdings gehört es zu den klassischen Methoden autoritärer Machtausübung, klientelistische Personalverhältnisse zu nutzen. Trump ist sozialisiert im Immobiliengeschäft und jeder, der mit der Spezies Immobilienhai schon einmal zu tun hatte, weiß, dass diese Gruppe sich mit Einschüchterung gut auskennt. Wenn es ihm weiterhin gelingen sollte, Schlüsselpositionen mit von ihm abhängigen Leuten zu besetzen, dann ist das eine echte Gefahr. Seine Berater können da sehr schnell einen sehr großen Einfluss ausüben – und das ist besorgniserregend.
Können Sie also verstehen, dass Parallelen gezogen werden zwischen Donald Trump und dem Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland?
Eine Parallele ist in der Frage angelegt, ob und in welchem Umfang es Trump gelingen könnte, das Parlament zu überspielen. Das ist ja das, was 1933 passiert ist. Etwas Vergleichbares ist eigentlich in den USA nicht vorstellbar, andererseits könnte es schon sein, dass der Gegensatz zwischen dem Präsidenten und dem Kongress schärfer wird. Das Verhältnis zwischen der Präsidialgewalt, die Adolf Hitler ja schnell auch an sich gerissen hat, und dem Parlament wird entscheidend sein. Eine weitere Parallele sind die Erosionstendenzen des Parteiensystems, die man im Moment in allen westlichen Demokratien beobachten kann. Die NSDAP kam an die Macht, weil die parteipolitischen Pfeiler Konservatismus und Liberalismus erodiert waren.
In den USA gibt es eine starke Fragmentierung bei den Republikanern: Es gibt die Tea-Party-Bewegung und ultra-konservative Positionen, die in der Mitte überhaupt nicht mehrheitsfähig gewesen sind. Ein klarer politischer Wille ist in der Partei lange nicht mehr erkennbar gewesen, und das ist die wesentliche Voraussetzung, warum Trump die Republikaner kapern konnte. Diese Mischung als Erosion, Machtlosigkeit und Anpassung der bestehenden Parteien muss man im Auge behalten. Man kann nur hoffen, dass die konservativen Eliten nicht den gleichen Fehler machen wie in der Weimarer Republik bei Hitler und der Versuchung erliegen, sich Trump irgendwie andienen zu wollen.
Aber Sie sehen vor allem Unterschiede zwischen Trump und Hitler?
Ja. Hitler baute seine Macht aus, indem er die Legislative kaltstellte und mit der Reichstagsbrandverordnung auch die Grundrechte beseitigte. Das NS-Regime hat also von Anfang an mit einem permanenten Ausnahmezustand regiert. Davon kann in den USA keine Rede sein. Und in Deutschland kamen die Justizorgane nicht auf die Idee, Hitler zu stoppen. Da war völlig freies Feld. Dass das in den USA nicht der Fall ist, haben ja die bisherigen Entscheidungen zum Einreisestopp gezeigt. Und auch die Vorstellung einer Gleichschaltung der Bundesstaaten scheint mir in den USA völlig abenteuerlich. Außerdem verfügte Hitler über eine außerparlamentarische Massenbewegung auf der Straße. Davon sind wir in den USA natürlich ganz weit weg. Trump ist durch eine etwas amorphe Wählerschaft, die zahlenmäßig auch nicht die absolute Mehrheit war, gewählt worden und ich sehe keine große außerparlamentarische Bewegung für ihn – ich sehe eher eine gegen ihn.
Die amerikanische Zivilgesellschaft scheint mobilisiert zu sein, und man kann die Leute nur ermutigen, ihr Demonstrationsrecht wahrzunehmen. Das ist natürlich 1933 in Deutschland völlig anders gewesen. Die bürgerliche Mehrheit hat die NS-Machtergreifung begrüßt und die Eliten haben sich mindestens ambivalent verhalten und den Weg für Hitler geebnet.
Auch wenn es keine Massenbewegung für Trump auf der Straße gibt, gibt es eine Masse an Menschen, die ihn gewählt hat und somit seiner oft hasserfüllten Rhetorik zugänglich ist ...
Die politische Rhetorik von Trump ist eine Freund-FeindRhetorik, die wir leider inzwischen in allen westlichen Demokratien erleben. Sie negiert oder reduziert die Komplexität der Welt. Diese Rhetorik verfängt leider bei vielen Menschen, die sich durch die Unübersichtlichkeit der modernen Welt in ihrer Identität bedroht fühlen. Das sind häufig Leute, die ökonomisch gar nicht so schlecht gestellt sind, aber irgendwie zurückwollen zu einem imaginären Harmoniezustand, den sie durch Feinde bedroht sehen. Was in den USA verfängt, ist die Wunschvorstellung, man könne in die 1950er Jahre zurück mit amerikanischen Arbeitern, die mit amerikanischem Kapital amerikanische Brücken und Straßen bauen. Das scheint zu wirken. Und dazu kommt der nach wie vor bestehende Rassismus, der durch Trumps FreundFeind-Rhetorik ermutigt wird. Das ist in Europa genauso und das ist ein Spiel mit dem Feuer.
„Wer mit Immobilienhaien zu tun hatte, weiß, dass diese Gruppe sich mit Einschüchterung gut auskennt.“ „In den USA verfängt die Wunschvorstellung, man könne in die 1950er Jahre zurück.“
Sehen Sie Parallelen zwischen Trump und dem Vormarsch der Populisten in Deutschland?
Das sind nationale Ausprägungen ein und derselben Tendenz. Wir beobachten eine Wendung zur Wiederkehr von FreundFeind-Ideologien – und zwar von rechts. Die USA sind das Mutterland der Demokratie, insofern ist die Entwicklung schon sehr beklemmend.
Interview: Britta Schultejans, dpa
57, ist Direktor des Institu tes für Zeitge schichte. Vorher war der gebürtige Heidelberger als Ge schichtsprofessor an den Universitäten Tübingen und Augsburg tätig. Außerdem ist er Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Deut schen Historischen Museums in Berlin.