Rydzek überstrahlt alles
Der Allgäuer drückt den Titelkämpfen in Finnland seinen Stempel auf. In den anderen Disziplinen glänzen Ausnahmeathleten aus Norwegen und Russland
Es ist nicht davon auszugehen, dass es Marit und Johannes heute gemeinsam auf die grellen und von Fotos überladenen Titelseiten der finnischen Tageszeitungen bringen. Beide tragen zwar seit diesem Wochenende den Beinamen Königin und König von Lahti, beide haben auch der 51. Nordischen Ski-WM mit jeweils vier Titeln den Stempel aufgedrückt. Doch für die internationalen Klatsch- und Tratschblätter bietet allerhöchstens die lang und über Maßen schnell laufende Supermama Marit Björgen den passenden Stoff. Von Johannes Rydzek, dem Allgäuer Kombinierer, weiß man hier zu wenig. Außerdem hat sich der 25-jährige Deutsche recht scheu verhalten. Nach seinem vierten Gold war er mit dem Pulk der Pressefotografen erst zum Ausgang des Zielbereichs gelaufen, um dann – schwuppdiwupp – kehrt zu machen und Familie und Freundin in einem unbeachteten Moment doch noch zu knuddeln. Derlei Fotos sieht Rydzek nicht gerne in der Zeitung. Auch dem Wunsch, ihn zusammen mit seinen vier Medaillen abzulichten, verwehrte er den Bildjournalisten. Für die Agentur des Internationalen Skiverbandes war er dafür ja schon in eine dunkle Ecke der Stadion-Katakomben genötigt worden. Jetzt will er Ruhe, und – mit Ausnahme eines Fernsehauftritts heute Abend und dem Empfang am Mittwoch in Oberstdorf – die Beine hochlegen. Neben dem aus deutscher Sicht alles überstrahlenden Johannes Rydzek haben wir in allen drei Disziplinen Ausnahmeathleten gefunden.
LANGLAUF
Auch wenn die norwegischen Männer gestern beim abschließenden 50-Kilometer-Lauf leer ausgingen und sich der hoch gehandelte Martin Sundy beim Sieg des Kanadiers Alex Harvey im Schlusssprint sogar dem Briten Andrew Musgrave geschlagen geben musste, war Norge in der Loipe ähnlich dominant wie die Deutschen in der Kombination. Beim 30-Kilometer-Lauf der Frauen feierten sie ebenfalls einen Vierfach-Erfolg.
Und ganz vorne war erneut Marit Björgen. Bei fünf Starts gewann die 36-Jährige vier Mal, schraubte die Zahl ihrer WM-Titel auf unglaubliche 18 – und denkt noch lange nicht an ihr Karriereende. Olympia 2018 ist ihr nächstes Ziel. „Marit ist unglaublich. Sie hat alles, was den Langlauf ausmacht. Nicht nur die Kondition, sondern auch die Muskulatur und eine Lunge, die diese Belastung verträgt“, sagte die Oberstdorferin Nicole Fessel (Platz 21) bewundernd. Während Björgens Rivalinnen am Samstag erschöpft im Schnee lagen, lief sie scheinbar locker eine Ehrenrunde im Zielbereich, um den Unterlegenen einen anerkennenden Klaps zu geben. Björgens 15 Monate alter Sohn Marius zeigte derweil im Pressezentrum, dass er den Bewegungsdrang von der Mama geerbt haben muss.
Sergej Ustjugow aus Russland war der Abräumer der WM. Der 26-jährige Tour-de-Ski-Sieger heimste mit zwei goldenen und drei silbernen die meisten Medaillen ein. Mehr als über seine Erfolge wurde aber auch in Lahti um das systematische Doping in Russland diskutiert.
FIS-Präsident Gian-Franco Kasper war nach der dopingverseuchten WM 2001 in Lahti gestern erleichtert: „Die WM war hervorragend organisiert. Es gab keine Skandale und nichts, über das man sich beklagen könnte“, so der Schweizer, der zudem von 284 Anti-DopingProben sowie 180 000 Zuschauern bei den 21 Entscheidungen berichtete.
NORDISCHE KOMBINATION
Das Maß aller Dinge waren die Deutschen. König Rydzek versprach noch in Lahti: „Ich bleibe der Gleiche, der ich vorher war, und werde es auch bleiben.“Auf eine große Feier wurde verzichtet.
„Um die Sau rauszulassen, bleibt nach der Saison genügend Zeit“, erklärte der 25-Jährige. Die ohnehin schon grandiose Saison könnte er beim Heim-Weltcup am 18./19. März in Schonach mit dem erstmaligen Gewinn des Gesamt-Weltcups krönen.
SKISPRUNG
Erfolgreichster Athlet war mit vier Medaillen Stefan Kraft aus Österreich. Der Doppel-Weltmeister hatte vor der Bronzemedaille mit der Mannschaft am Samstag (siehe Bericht unten) auch im Mixed Silber gewonnen. „Das war ein perfekter Abschluss. Vier Medaillen sind genial, das hätte ich mir nicht erträumen können“, erklärte der 23-jährige Salzburger. Sein Dauerrivale war auch bei dieser WM Andreas Wellinger aus Ruhpolding, der sich über Gold im Mixed und zwei Silbermedaillen in den Einzelwettbewerben freuen durfte. Die nächsten Nordischen Skiweltmeisterschaften finden 2019 in Seefeld (Tirol) und 2021 in Oberstdorf statt.