Deutsche ziehen Niete in Windlotterie
Polen, Norweger und Österreicher stehen auf dem Podest, die Mannschaft von Trainer Werner Schuster daneben. Stephan Leyhe kämpfte nicht nur mit seinen Nerven, sondern auch gegen eine fragwürdige Jury-Entscheidung
Werner Schuster ist ein guter Trainer. Er hat Stephan Leyhe einfach in Ruhe gelassen. Die Zahl derer, die meinten, sie könnten den 25-Jährigen aus Willingen mit irgendeinem Wort oder Geste aus seiner Schockstarre befreien, war groß genug. „Stephan ist untröstlich. Da bringt es nichts, jetzt auf ihn einzureden“, sagte der Bundestrainer der deutschen Skispringer.
So redete Schuster statt auf seinen gegen die Tränen ankämpfenden Schützling auf die Journalisten ein, erklärte ihnen, dass auch er „riesig enttäuscht sei, dass junge Menschen nun einmal auch Fehler machen und Stephan Leyhe an diesem Abend in Lahti seine wohl bitterste Erfahrung als Skispringer machen musste“.
Die DSV-Fliegerstaffel hatte nach fünf von acht Sprüngen von der windanfälligen Großschanze in Lahti zwischenzeitlich sogar nach Gold gegriffen. Doch dann kam Leyhe. Der nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Severin Freund an Nummer drei gesetzte Hesse hatte das Pech, dass zwei Sprünge vor ihm der Norweger Johann Andre Forfang auf sagenhafte 138 Meter geflogen war und den elf Jahre alten Rekord des Österreichers Andreas Widhölzl um zweieinhalb Meter verbesserte. Die Jury, die den Wettbewerb wegen extrem unterschiedlicher Windbedingungen ohnehin schon mehrfach unterbrechen musste, bekam daraufhin kalte Füße und verkürzte den Anlauf um zwei Luken.
Leyhe sah vor sich den Österreicher Manuel Fettner auf 121 abstürzen und wollte alles besser machen. Doch der Wind und die vom finnischen Rennleiter Mika Jukkara schnell gedrückte grüne Ampel ließen Leyhe plötzlich rot sehen. Seine mentale Achterbahnfahrt führte zu einem viel zu frühen Absprung, einer unruhigen Flugphase und einer Bruchlandung bei 103,5 Metern. So kurz sprang im Finaldurchgang kein anderer Athlet.
Leyhe selbst verkrümelte sich schnell, nur im ARD-Interview sagte der 25-Jährige sichtlich bewegt: „Es ist gerade ein bisschen schwer für mich. Danke, dass die Jungs so hinter mir stehen.“Teamkollege Richard Freitag nahm ihn in Schutz („Er hatte nicht den Hauch einer Chance“) und schimpfte auf die Wettkampfleitung: „Dass die Jury diese Gruppe so durchgezogen hat, war nicht wirklich schön.“Der konstanteste Deutsche, Markus Eisenbichler, sagte: „Ich bin schon ein bisschen wütend“, ehe der dreifache Medaillengewinner und im zweiten Durchgang ebenfalls nicht fehlerfreie Andreas Wellinger die Floskel bemühte: „Wir gewinnen gemeinsam, und wir verlieren gemeinsam.“So sei der Sport eben, morgen sehe die Welt schon wieder anders aus.
Anders war die Stimmung bei den Polen, die mit Kamil Stoch, Maciej Kot, Dawid Kubacki und Piotr Zyla mit großem Vorsprung vor Norwegen gewann. Tränen, allerdings die der Freude, vergoss Routinier Gregor Schlierenzauer, der mit Österreich Bronze holte.