Vertraulichkeiten aus dem Atelier
Zwei Leidenschaften bewegten Sven Kroner schon als Jugendlichen in Kaufbeuren: Malerei und Natur. Also ist eigentlich zwangsläufig, dass sich in seinen Gemälden viele Landschaften finden. Aber nicht nur…
Angefangen hatte alles mit einem Aquarellkasten. Ein Geschenk des Schwagers, denkbar harmlos. Wer glaubt schon daran, dass so einem Aquarellkasten enorme Bedeutung zuwachsen kann? Mit den Aquarellfarben malte der Künstler in spe, was ihm wichtig war, was ihn beschäftigte – zum Beispiel die Platten-Cover seiner Lieblingsbands oder Landschaften im Urlaub. Das unterschied sich nicht von dem, was andere Hobbymaler treiben. Und Sven Kroner besuchte damals auch noch einen Aquarellkurs an der Volkshochschule; er, der Kemptener, der den Großteil seiner Schulzeit in Kaufbeuren verbrachte. In den späten 1980er Jahren war die Kunst für Kroner eine Leidenschaft, eine, die ihn immer mehr vereinnahmte und auch umkrempelte als Menschen.
Heute malt der 43-Jährige nicht mehr im Kaufbeurer ReihenhausKeller auf seinen Leinwänden, heute radelt er von Neuss zu einer alten Fabrikhalle in Düsseldorf, wo er seit 20 Jahren arbeitet. In seinem Lager finden sich noch Arbeiten, die er als Schüler von Dieter Krieg an der Kunstakademie in Düsseldorf schuf. Große, ja riesenhafte Leinwände, auf denen er mit schnellen Pinselstrichen Jungs am Pissoir malte.
Die Farben mussten nass sein und fließen, er hatte für jedes Bild nur einen Tag Zeit. „Diese Arbeiten gehören zum Werk“, sagt er heute. Da fing sein Weg als professioneller Künstler an, der ihn zu Einzelausstellungen nach Amsterdam, Paris und New York bei renommierten internationalen Galerien führte – und auf große Kunstmessen. Seine großen Bilder kosten so viel wie ein Neuwagen, und sie hängen in Sammlungen unter anderem in den USA, in Frankreich, England, Holland, Russland und natürlich Deutschland.
Vor ein paar Jahren sagte Kroner einmal über sich: „Ich hatte nur zwei Möglichkeiten, entweder Förster oder Künstler.“Die Natur war seine zweite große Leidenschaft, die ihn in der Jugend umtrieb: Entweder malte er im Atelierkeller stundenlang, auch an Schultagen bis weit nach Mitternacht, oder er erging sich in den Wäldern um Kaufbeuren herum. Dort kannte er auch kleinste Lichtungen, Tierpfade durch den Morast und die besten Pilzsammelstellen.
Dieses Gefühl für die Natur hat sich Sven Kroner eingebrannt. Sein Werk als Künstler ist voller Landschaften, die einen Dreh entweder zum Unheimlichen oder zum Ironischen zeigen. Die Perspektiven sind verzerrt; der Betrachter glaubt manchmal, mit Lawinen Bergrücken hinabzurutschen. Zudem hat die Zivilisation überall Spuren hinterlassen: Die Pfeiler der Seilbahn rosten im Bergnebel; an der Höhle des Neo-Steinzeitmenschen steht ein alter Plastik-Klappstuhl; auf der Autobahn wachsen junge Bäume; Schrottwagen stehen herum. Die Natur ist bei Kroner bedroht, sie hat aber auch etwas Wildes, das den Menschen einschüchtern kann.
Als Kroner Gastprofessor an der Bauhaus-Universität in Weimar war, regten ihn Studenten auf, die „schöne Bilder“malen wollten. „Das ist schon lange keine Kategorie mehr für die Kunst“, sagt er. Gleichzeitig ermunterte er dort alle, dasjenige zum Thema des Schaffens zu machen, hinter dem man selbst steht, was man verkörpert. Aus diesem Grund kann Kroner nicht einfach zum Pinsel greifen und sich als Künstler politisch in aktuelle Debatten einmischen. „Das wäre nicht ehrlich für mich“, sagt er, es wäre aufgesetzt.
So bekommt man in Kroners Werk den Eindruck, dass die Motive und Ideen alle erst im Abstand von ein paar Jahren Eingang ins Werk finden – wenn sie fester Bestandteil seiner Erinnerung geworden sind und sich als dauerhaft und substanziell erwiesen haben. „Was ich male, hat immer mit dem Blick in eine andere Zeit zu tun“, sagt er. Einerseits weisen die Bilder zurück, weil Kroner seine Motive in seiner Jugend findet, etwa in Berglandschaften, die er auf ungezählten Touren als Kind und Jugendlicher mit seinen Eltern erwanderte. Auch das hügelige Allgäu und Reihenhaus-Bilder aus Kaufbeuren sind ein Blick zurück, dazu seine beiden Kinder. Andererseits schaut Kroner aber auch nach vorn, wirken seine Landschaften wie ein Blick in eine Zukunft, in der die technische Welt kollabiert ist und die Menschen wieder in Höhlen leben. Mitunter aber scheinen auch geisterhafte Kräfte in Kroners Bildwelten zu wirken, dann können Schiffe fliegen. Einen Querschnitt aus seinem Werk zeigt gerade das Kunsthaus Kaufbeuren in der Ausstellung „Perfect World“.
Doppelbödig jedenfalls sind alle seine Arbeiten. Als ein moderner Landschafts- und Naturmaler wird er immer bezeichnet. Wer sich seinen Leinwänden aber nähert, dem lösen sich die Figuren und Dinge unter dem Sehen in reine, bedeutungslose Farbflächen auf. Aus der Nähe betrachtet sind Kroners Arbeiten abstrakte Bilder, reine Malerei. Hinzu kommen als ständige Begleiter auch Witz, Ironie und in seinen aktuellen Arbeiten zum Teil auch surreale Anmutungen –etwa wenn ein Schneemann vor einer Winterlandschaft steht, die sich als Fototapete eines Atelierzimmers entpuppt, in dem die Gesetze der Welt durch die Malerei aufgehoben sind.
Auf einem seiner ersten Akademie-Feste in Düsseldorf, Kroner stand hinter der Bar, lernte er seine künftige Frau Simone Lucas kennen, später ebenfalls Schülerin von Dieter Krieg. Beide haben eine Familie gegründet, beide arbeiten im selben Atelier; zwei Künstler, die sich mitunter schonungslos sagen, was an den Bildern des anderen (noch) nicht funktioniert. So treiben sie sich ständig gegenseitig an.
Gearbeitet wird im Atelier im Idealfall an sechs Tagen in der Woche. Dieses Selbstverständnis ist die Grundlage für alles. Der übliche Bürokram jedes Selbstständigen wird als Ablenkung begriffen. Gerade eben sind es die finalen Absprachen für einen 160-seitigen Bildband im Verlag Hatje Cantz, die Kroner führt. Das Buch soll im Juni erscheinen. Viel lieber jedoch radelt Kroner in seine Fabrikhalle. „Im Augenblick male ich Atelierbilder“, erzählt er. Mittlerweile braucht er auch sehr viel länger für seine großformatigen Gemälde. Die Acryl-Bilder leben von ihren Details, von ihrer Genauigkeit, auch vom Spiel mit dem Licht. Das kann der Künstler nicht an einem Tag malen. Zwei Wochen können so für eine großformatige Leinwand schon zusammenkommen. Und dann kann es manchmal auch passieren, dass sie dem Künstler nicht gefällt. Für Kroner sind also die drei Monate bis zu seiner nächsten Ausstellung in seiner Stammgalerie Fons Welters in Amsterdam kein langer Zeitraum. Maximal sechs neue Bilder. So wird im Atelier gerechnet.
Das Kunsthaus Kaufbeu ren zeigt noch bis 30. April die Schau „Perfect World“, in der Arbeiten von Sven Kroner, Christian Hellmich und Pere Llobera zu sehen sind. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr, donnerstags von 10 bis 20 Uhr.