Zum Finale tanzt der Chef persönlich
Mit dem Intendantenwechsel verabschiedet sich Robert Conn nach zehn Jahren als Ballettdirektor. In „Carmen“steht er als Hauptmann auf der Bühne. In seine Heimat will der Amerikaner aus mehreren Gründen nicht zurück
Herr Conn, beim neuen Ballettabend, der am Freitag im Kongress am Park Premiere hat, stehen Sie in „Carmen“auf der Bühne. Wie fühlt es sich an, nach 14 Jahren nun wieder vor Publikum zu tanzen?
Es macht großen Spaß. Mein Alter von 48 Jahren ist eine Herausforderung, die noch größere sind aber die 14 Jahre, die ich nicht mehr getanzt habe. Und dann die Beleuchtung, die bereitet mir Schwierigkeiten. Ich kann alle Figuren der Choreografie tanzen, aber als ich bei einer Beleuchtungsprobe auf der Bühne gestanden bin war es so: Vorne ist es schwarz, hinten auch und von der Seite kommt starkes Licht. Da habe ich mich einmal gedreht und wusste nicht mehr, wo vorne und hinten ist. Ich war total verloren. Aber ich habe noch genug Zeit, mich daran zu gewöhnen.
Wie kam es denn überhaupt dazu, dass Sie eine Rolle in „Carmen“übernahmen?
Das hat damit zu tun, dass wir für die Gruppenszenen einen zusätzlichen Tänzer benötigten. Für einen Gast gibt es aber kein Budget mehr. Da hatte ich die Idee, dass ich die Rolle des Hauptmann Zuniga übernehme. Dadurch ist ein Tänzer aus der Compagnie frei für die Gruppenszenen. Choreografin Valentina Turcu war sofort begeistert von der Idee und hat für mich einen neuen Pas de Deux kreiert – und plötzlich tanze ich wieder.
Wenn Sie jetzt zum Abschluss Ihrer zehnjährigen Zeit in Augsburg Bilanz ziehen: Wie ist es Ihnen gelungen, der Ballettsparte Profil zu geben?
Mein Konzept war es, und das ist ungewöhnlich für ein Haus dieser Größe, ein Repertoire mit bedeutenden Choreografen aufzubauen. Vergleichbare Theater haben Choreografendirektoren, die 90 Prozent der Stücke selbst machen. Die haben dann einen Gastchoreografen im Jahr. Wir hatten über 60 in den vergangenen zehn Jahren. Wir haben auch die Compagnie vergrößert, anfangs waren es elf Tänzer, heute sind es 17. Es war sehr wichtig, die Compagnie zahlenmäßig auf diesen Stand zu bringen, denn nur so waren auch Handlungsballette möglich, und wir bekamen damit ein ganz anderes Repertoire.
Wie konnten Sie das finanzieren?
Wir hatten sehr große Hilfe durch Sponsoren wie Michael Grandel. Auch Intendantin Juliane Votteler und Verwaltungsdirektor Steffen Rohr haben uns unterstützt: Wir bekamen im Jahr für eine Produktion mehr Geld für das Bühnenbild, konnten Gäste verpflichten. Auch Spitzenschuhe kamen wieder ins Budget. So konnten wir uns immer weiter entwickeln. Wie hat sich Ihre Arbeit in diesen Jahren verändert?
Ich musste ein Gespür entwickeln für jeden der Aufführungsorte. Im Großen Haus hatte das Publikum eine andere Erwartung als auf der Brechtbühne. Erst mit dieser Spielstätte haben wir auch ein junges Publikum erreicht, das uns dann ins Große Haus gefolgt ist. Das war ein großer Erfolgsschritt für uns. In den Dreierabenden habe ich auf die Mischung der Musik geachtet und darauf, dass auch ein neoklassisches Stück dabei ist oder vielleicht ein kleines Handlungsballett. Jeder sollte etwas für sich finden und dabei vielleicht auch etwas Neues entdecken. Wie hat sich das Ensemble in der Zeit Ihrer Direktion entwickelt?
Ich hatte die Compagnie ja mit fünf Tänzern meines Vorgängers übernommen. Die hatten einen modernen, sehr bodenbasierten Stil. Plötzlich haben wir dann neoklassisches Ballett gemacht und die Compagnie war geteilt: Da waren Ballerinen auf der einen Seite und eher modern ausgerichtete Tänzer auf der anderen. Mein Wunsch war es, dass sie sich gegenseitig beeinflussen und voneinander lernen, aber das war nicht der Fall. Nach der vierten Spielzeit sind dann viele Tänzer gegangen. Das war sehr hart, aber es hatte auch den positiven Effekt, dass wir uns mehr auf die Neoklassik fo- kussieren und trotzdem auch den zeitgenössischen Stil pflegen konnten. In der fünften Spielzeit war die Truppe auf einmal homogen.
Können Sie schon über Ihre weiteren Pläne sprechen, Sie verlassen das Haus ja mit dem Intendantenwechsel?
Ich habe drei Bewerbungen an größeren Häusern laufen, allerdings nicht in Deutschland, denn hier sind alle Direktorenstellen besetzt. Leider, denn das deutsche Publikum ist ein besonderes, es ist neugierig und möchte auf der Bühne eine gesunde Mischung von experimentellem und klassischem Tanz sehen. Die Menschen erwarten hier nicht nur Unterhaltung, sondern auch Herausforderung. In den USA ist das ganz anders.
Das ist aber nicht der einzige Grund, warum Sie nicht mehr in Ihre Heimat zurückgehen möchten.
Ja, mein Interesse ist nicht mehr so stark, seit Trump Präsident ist. Da gibt es Menschen, die orientieren sich knallhart am Business. Kunst und Kultur verlieren an Bedeutung. Deshalb sind Erfolg und Profit auch in der Kunst wichtiger, aber das ist nicht gut. Kunst muss Fehler machen dürfen. In Deutschland ist das so. Das ist einer der Gründe, warum ich sehr zufrieden war, hier Ballettdirektor zu sein.
Interview: Birgit Müller-Bardorff