Die Bilder der Vergangenheit haben sich ihm eingebrannt
Der Münchener Zeitzeuge Ernst Grube ist NS-Überlebender, politischer Aktivist und dem Staat bis heute ein Dorn im Auge
Schweigen ist nicht seine Sache. Sich in der Vergangenheit Einigeln auch nicht. Dabei hätte Ernst Grube allen Grund zu Letzterem. Nachdem er das Deportationslager Milbertshofen und das Konzentrationslager Theresienstadt als Kind überlebt hatte, galt er zwar nicht mehr als „rassisch“unerwünscht. Aber mit seinem politischen Engagement für eine Anerkennung kommunistischer und anderer NS-Widerstandskämpfer in der neuen Bundesrepublik, mit seiner Arbeit als stetiger Mahner hat er bis heute mit der staatlichen Obrigkeit zu kämpfen. Eindrucksvoll schildert jetzt ein neuer Dokumentarfilm seinen politischen und persönlichen Werdegang. Regisseurin Christel Priemer zeigte ihren 60-minütigen Streifen zusammen mit Ernst Grube auf Einladung der Augsburger Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) im Thalia Kino.
„Ernst Grube – Zeitzeuge. Von einem, der nicht aufgibt“ist ein Porträt im Stil einer Fernsehdokumentation und begleitet den heute 84-Jährigen durch die Stationen seines bewegten Lebens. Die drei Kinder Grube der wenig religiösen jüdischen Mutter, die als Krankenschwester arbeitete, und des sozialistischen Vaters lebten die ersten Jahre in der Nähe der Münchener Hauptsynagoge. Einen Tag vor der Reichspogromnacht und einer drohenden Räumungsklage gaben die Eltern ihre Kinder in einem jüdischen Kinderheim in Schwabing ab. Hier lernte Grube erstmals jüdische Traditionen kennen und feiern. Außerhalb des Heims musste er selbst genähte Judensterne tragen und wurde als „Judensau“beschimpft, wie Grube vor der Kamera erzählt.
Nach und nach wurden die hier betreuten 48 Kinder ab 1941 in die Vernichtungslager im Osten des Reiches entführt. Wiedergesehen hat Grube keines von ihnen. Er selbst kam in das nahe Deportationslager Milbertshofen. „Was ich dort erlebte, hat sich mir für immer eingebrannt“, so Grube. Einem Mädchen wurde der Kopf geschoren und ein Hakenkreuz aufgemalt. So wurde es durch das Barackenlager gejagt.
Die Familie überlebte Terror und Krieg im Lager Theresienstadt, das die Rote Armee befreite. Die Verbundenheit zum Kommunismus, zur Roten Armee und zur Sowjetunion blieb. Grube trat in die KPD ein und wurde zwei Jahre nach dessen Gründung Mitglied im VVN. Er demonstrierte früh gegen die Wiederaufrüstung und gegen das Verbot der KPD. Die Polizei hatte ihn im Visier, er wurde verprügelt und drei Mal inhaftiert. Der bayerische Verfassungsschutz, der den VVN unter „linksextremistisch“führt, erwähnte Grube 2010 namentlich in seinem Bericht, musste den Namen nach Protesten jedoch wieder streichen. „Ich sitze bei der Gedenkstättenstiftung Dachau an einem Tisch mit dem Kultusminister. Und bin ‚Verfassungsfeind’? Absurd“, kritisiert Grube.
Verdruss ist bei ihm dennoch nicht zu spüren. Er arbeitet bis heute in vielen Initiativen. Besonders der Kontakt mit Schülern, erklärt er nach der Filmvorführung, sei ihm wichtig. Woher er nach all den Erlebnissen seine positive Ausstrahlung nehme? Grube antwortet: „Kraft und Ausdauer halt. Und ich bekomme viel Anerkennung. Das hält jung!“