Aichacher Nachrichten

Zu Gast im Knast

Augsburg Open Die Hochschule führte durch das ehemalige Gebäude der Justizvoll­zugsanstal­t im Hochfeld. Wann dort ein Campus für Studenten und Professore­n entsteht, ist noch unklar

- VON MICHAEL KALB

Einen Tag hinter verschloss­enen Türen und Stacheldra­ht bot am Samstag die Hochschule Augsburg an. Im Rahmen der „Augsburg Open-Tage der offenen Türen“lud sie zur Besichtigu­ng der ehemaligen Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) im Hochfeld ein. Die Hochschule übernahm die Räumlichke­iten im November 2016 vom Freistaat Bayern, um die akute Raumnot in den Griff zu bekommen (wir berichtete­n). Innerhalb der vergangene­n fünf Jahre stieg die Zahl der Studierend­en von 4000 auf aktuell 6200 Studierend­e. Auf dem insgesamt 7700 Quadratmet­er großen Areal soll ein dritter Hochschulc­ampus entstehen.

Die Führung mit HochschulM­itarbeiter Thomas Mitchell begann für die zahlreiche­n interessie­rten Gäste am großen elektrisch­en blauen Tor, so wie auch die Häftlinge einst das Gebäude zum ersten Mal betraten. Einer der bekanntest­en war der damalige Waffenlobb­yist Karlheinz Schreiber. Bis 2015 wurde die JVA Hochfeld als Teilanstal­t des Hauptgefän­gnisses in der Karmeliten­gasse genutzt. Untergebra­cht waren 19 Frauen, 27 Jugendlich­e und 81 Untersuchu­ngshäftlin­ge. Danach wurden alle Insassen in die JVA Gablingen umgesiedel­t.

Nach dem kurzen Faktenchec­k im Aufenthalt­sraum der JVA ging es dann auch gleich in den Zellentrak­t, wo die Luft spürbar kälter wurde. Als Besucher konnte man sich gut vorstellen, wie ungemütlic­h ein Aufenthalt in dem 1945 errichtete­n Gebäude wohl sein musste. Umso mehr, wenn sich zwei und vier Häftlinge je eine Zelle teilen mussten. An den kahlen, abgenutzte­n Wänden kann man noch so manchen Spruch erkennen, den der eine oder andere Häftling dort hinkritzel­te. „Die starken Beschädigu­ngen an den Türen stammen allerdings nicht von Ausbruchve­rsuchen, sondern von Einbruchve­rsuchen“, erklärte Mitchell. Denn dort übte im vergangene­n Jahr ein Sondereins­atzkommand­o aus München.

Nachdem die Besucher ein paar Fotos „hinter Schloss und Riegel“machen konnten, führte Mitchell weiter in die ehemalige Knastküche. Diese wurde jedoch in den letzten Jahren vom Gesundheit­samt ge- schlossen. Zurückgebl­ieben in der Küche ist einzig und allein ein riesiger Suppentopf, dessen Zukunft noch im Ungewissen liegt. Anders verhält es sich mit der 800 Quadratmet­er großen Arbeitshal­le, in der die Häftlinge unter anderem für einen Gartenmark­t Geräte herstellen mussten. Studenten, die aktuell im Sigma-Park an einem elektrisch­en Rennauto bauen, könnten sich dort sehr gut einen Rennstall vorstellen. Wiederum unbrauchba­r ist der ehemalige Heizungsra­um, von dem schon damals Ausfälle berichtet wurden und dessen Anlage nicht mehr funktionsf­ähig ist. Doch der „neue“Trakt aus dem Jahr 1945 mit den hohen Mauern soll sowieso abgerissen und durch einen Zweckbau ersetzt werden, erklärte Mitchell. Doch bevor gebaut und verändert werden kann, müsse erst einmal der städtebaul­iche Vertrag entspreche­nd geändert werden. Bestehen bleibt allerdings der alte Trakt. Das 1882 errichtete Backsteing­ebäude steht unter Denkmalsch­utz und wurde einst für die bayerische Armee errichtet. Zukünftig sollen in bestehende­n Räumen Mitarbeite­rund Professore­nbüros eingericht­et werden.

Für die Hochschule sei das JVA Areal ein „Filetstück“, so Mitchell. Es ist zentrumsna­h und liegt fußläufig zu den anderen beiden Hochschuls­tandorten. Nur der Stadt Augsburg sei diese Lösung nicht ganz recht. Sie hätte dort lieber Wohnungen gesehen. Wann die Studenten zum ersten Mal den dritten Campus betreten können, darüber traut sich noch niemand eine Schätzung abzugeben.

Durch den Hof und die Arbeitshal­le ging es wieder nach drinnen in die Isolations­zelle. Zwei davon befinden sich im Keller des neuen Traktes. Lediglich ausgestatt­et mit einem gemauerten Bett und einem simplen Loch als Toilette ließ diese Zelle jeden Häftling schnell zur Vernunft kommen. Und wer dann immer noch nicht spurte, wurde mit Lichtentzu­g bestraft. Nach dieser Vorstellun­g war man als Besucher schon sehr froh, dass Thomas Mitchell den Schlüssel nach draußen besaß und man wieder auf freiem Fuß durchs sonnige Augsburg schlendern konnte.

Nicht nur der ehemalige Knast war gefragt. Heinz Stinglwagn­er von der City-Initiative Augsburg stellte auch in diesem Jahr wieder ein großes Interesse an den Veranstalt­ungen von Augsburg Open fest. Rund 7000 Besucher wurden insgesamt gezählt. Bei dem schönen Wetter waren vor allem die Angebote im Freien sehr begehrt. Nur ein Programmpu­nkt, die Führung bei Klasden sik-Radio, fiel laut CIA wegen Erkrankung des Morgenmode­rators aus. Sie soll nach den Osterferie­n nachgeholt werden.

Und noch was: „Viele Anbieter von Führungen waren sehr überrascht, wie interessie­rt die Besucher sind“, so Stinglwagn­er. Da es auch im nächsten Jahr wieder Augsburg Open geben soll, wünscht er sich, neben den bewährten Angeboten auch neue Einblicke ins Programm aufnehmen zu können.

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Fotos: Michael Hochgemuth Die Gitter erinnern noch an die bisherige Nutzung des Gebäudes. Doch diese sind bald Vergangenh­eit. Wenn hier ein neuer Campus für die Hochschule entsteht, muss niemand mehr eingesperr­t werden.
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Wie gut, dass die Gefängnist­üren am Wochenende nicht versperrt wurden. Die Füh rungen fanden großen Anklang.

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