Aichacher Nachrichten

Ein Wagnis mit dem Phantom

Theaterauf­führung Die Oberstufen­schüler des Aichacher Deutschher­ren-Gymnasiums spielen das berühmte Stück als Sprechthea­ter. Was die mutigen Neulinge auf die Bühne bringen, findet Anklang bei einem begeistert­en Publikum

- VON VICKY JEANTY

Das grässliche, hämische Lachen, mit dem sich das Phantom in den Katakomben der Oper von dieser Welt verabschie­det, geht unter in lauter Musik, die dem tragischen Leben des entstellte­n Wesens ein Ende setzt. Erik, der geheimnisv­olle Mann mit der Maske, hat sich auf dem Altar der Liebe geopfert und seine angebetete Muse Christine deren Geliebten Raoul in die Arme gespielt. Er hat die Waffen gestreckt und bleibt dennoch der eigentlich­e Held dieser schaurigen Geschichte.

Das Oberstufen­theater des Aichacher Deutschher­ren-Gymnasiums (DHG) mit Silke Frauenholz-Funk als Regisseuri­n hat „Le Fantôme de l’Opéra“des französisc­hen Schriftste­llers Gaston Leroux als Sprechthea­ter auf die Bühne gebracht. Mit 13 Spielern und Spielerinn­en, die, mit einer Ausnahme, alle aus der Q 11 kommen und bis dato keinerlei Bühnenerfa­hrung mitbrachte­n, betont die Spielleite­rin. Umso anerkennen­swerter ist die Leistung der Jugendlich­en in einem Stück, das einem Millionenp­ublikum weltweit primär als Musical bekannt sein müsste. Andrew Lloyd Webber hat 1986 die französisc­he Vorlage vertont, sein „Phantom der Oper“sorgt mittlerwei­le auf allen großen Bühnen dieser Welt für Begeisteru­ng.

Gaston Leroux hatte mit seinem 1911 erschienen­en Roman auf Anhieb einen Riesenerfo­lg. Das Opernphant­om mit seinen konträren Charaktere­igenschaft­en und dem tragischen Schicksal als Ausgestoße­ner wurde zu einer Art Horror-Kultfigur stilisiert. „Die Schöne und das Biest“, die dramatisch­e Geschichte um den Glöckner von Notre Dame mit deren Protagonis­ten Quasimodo und Esmeralda tragen ähnliche Handschrif­ten. Die „hässlichen Bestien“retten in einem ultimative­n Liebesbewe­is am Ende gerade diejenigen, die sie so verachtet hatten. Dafür nehmen sie den eigenen Tod in Kauf.

Die DHG-Truppe hat mit minimalist­ischer Bühnenauss­tattung die jeweiligen Spielorte angedeutet. Ein Schminktis­ch für die ehrgeizige Operndiva La Carlotta (Leah Aidelsburg­er), deren aufstreben­de Karriere durch die magischen Kräfte des Phantoms ein krächzende­s Ende nimmt. Zwei Schreibtis­che, an denen zwei genervte Operndirek­toren (Thomas Steinhardt und Manuel Talarico) nur mit viel Whisky die Erpresserb­riefe des Phantoms und die mysteriöse Besetzung von Loge Nummer fünf runterschl­ucken. Ein Stuhl, ein goldübersp­anntes Bett, ein Kleiderhak­en für die roten und schwarzen Phantom-Umhänge, ein stilisiert­er Spiegel sollten genügen, um das unterirdis­che Reich des geheimnisv­ollen Phantoms anzudeuten. Von hier aus zieht der effektvoll geschminkt­e Mann mit der Maske (Simon Lindermeir) seine fatalen Fäden. Gelegentli­ch huscht er als „roter Tod“vorbei, begleitet von einzelnen Arien aus dem Musical. Spezielle Licht-und Soundeffek­te unterstrei­chen die jeweilige Stimmungsl­age.

Die dramatisch-tragische Handlung rund um das Schicksal des begnadeten Musikers und unglücklic­hen Liebhabers Erik, des Phantoms, verlangt Simon Lindermeir als dessen Darsteller einiges ab. Bravourös meistert er dieses Getriebens­ein im ständigen Kampf zwischen dem Bösen und dem Guten. Er muss Rache nehmen an einer Gesellscha­ft, die ihn allein aufgrund seines entstellte­n Äußeren in den Untergrund verbannt hat. Zugleich muss er seiner geliebten Christine (Helena Kirr) regelrecht Gewalt antun, um sie von der Aufrichtig­keit seiner Gefühle zu überzeugen. In seiner Not greift er in die Zauberkist­e, bringt Menschen um, ruiniert Karrieren, erpresst. Am Phantom entzünden sich die Mitspieler, allen voran Christine Daaé und Raoul de Chagny (Christian Fürst). Sie sind für einander bestimmt, müssen jedoch den Kampf mit dem deutlich überlegene­n Rivalen auf sich nehmen. Spielerisc­h eine große Herausford­erung für den noch sehr jugendlich wirkenden Darsteller Christian Fürst. Seine Partnerin Helena Kirr überzeugt im Clinch mit ihren so ungleichen Liebhabern, sie darf an einer Stelle sogar eine kurze Gesangsein­lage geben.

Das Ende bleibt dramatisch: Raoul hat es dank des „Persers“(Simon Haas) bis in Eriks Folterkamm­er geschafft, und wird, dem Tode nahe, Zeuge, wie das Phantom seine Christine auf ewig an sich binden will. Ein Kuss Christines auf die Wange des Entstellte­n besiegelt beider Schicksale: Erik stirbt, damit ist Christine frei für ihre Liebe zu Raoul. Bachkantat­en begleiten die finale Szene. Knapp 200 Besucher applaudier­en am Freitagabe­nd mit großer Begeisteru­ng.

 ?? Fotos: Vicky Jeanty ?? Raoul de Chagny (Christian Fürst, Q11) und Christine (Helena Kirr, Q11) sind am Ende ein Paar, sie müssen jedoch entsetzt zu schauen, wie das Phantom der Oper (Simon Lindermeir, Q 11) vor ihren Augen stirbt.
Fotos: Vicky Jeanty Raoul de Chagny (Christian Fürst, Q11) und Christine (Helena Kirr, Q11) sind am Ende ein Paar, sie müssen jedoch entsetzt zu schauen, wie das Phantom der Oper (Simon Lindermeir, Q 11) vor ihren Augen stirbt.
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Beim Maskenball möchte Christine unerkannt bleiben und ih ren Verehrer Raoul dabei in ihr schrecklic­hes Geheimnis ein weihen.
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Weil er entstellt und hässlich ist, hat ihn seine Mutter zum Ver kauf angeboten. Viele Jahre später treibt Erik als Phantom in der Pariser Oper sein Unwesen.

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