Aichacher Nachrichten

Pärchen prügelt Senior zum Pflegefall

Die beiden 21 und 35 Jahre alten vorbestraf­ten Angeklagte­n sitzen gerade Haftstrafe­n wegen Körperverl­etzung ab, sie in Aichach. Jetzt ging es um eine besonders brutale Attacke

- VON GERLINDE DREXLER

Mit Füßen und Fäusten traktierte im Januar 2016 ein Pärchen aus dem Raum Memmingen einen heute 75-jährigen Senior. Der ist seitdem ein Pflegefall. Beide Angeklagte­n, 35 und 21 Jahre alt, sind einschlägi­g vorbestraf­t und sitzen zurzeit eine Gefängniss­trafe ab. Die 21-Jährige sitzt in der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Aichach ein. Deshalb war der Prozess um das gewalttäti­ge Pärchen gestern auch am Amtsgerich­t in der Paarstadt. In einem Punkt war das Schöffenge­richt bei der Verurteilu­ng wegen gefährlich­er Körperverl­etzung anderer Meinung als die Staatsanwa­ltschaft.

Als eigentlich einen ganz lieben Menschen beschrieb der 35-Jährige den Senior in einem Schreiben an das Gericht. Darin entschuldi­gte er sich dafür, dass er zusammen mit seiner Freundin an einem Abend im Januar 2016 so ausgeraste­t war. Beide waren stark alkoholisi­ert gewesen und hatten sich scheinbar von dem heute 75-Jährigen, ihrem Wohnungsna­chbarn, gestört gefühlt.

Als der Senior aus seiner Wohnung kam, ging das Pärchen gemeinsam auf ihn los. Beide hätten mit Fäusten auf den Senior eingeschla­gen und ihn damit etwa zehn bis 15 Meter vor sich hergetrieb­en, bis er zu Boden gegangen sei, hieß es in der Anklagesch­rift.

Beide gingen dann zurück in die Wohnung. Kurz darauf kam die 21-Jährige wieder raus und trat dem Senior, der noch immer am Boden lag, mit den Füßen gegen den Brustkorb und ins Gesicht. Eine Zeugin hörte sie sagen, dass sie ihn „zusammenda­ppen“wolle. Auch der 35-Jährige tauchte wieder auf und schlug mit seinen Fäusten auf den 75-Jährigen ein.

Der trug als Folge nicht nur Hämatome und eine Platzwunde am Auge davon. Er lag mit einer Gehirnblut­ung auf der Intensivst­ation und kam vom Krankenhau­s direkt ins Pflegeheim. Rechtsanwä­ltin Sybille Thiel, die den Senior als Ne- benklägeri­n vertrat: „Für ihn hat sich das Leben komplett geändert.“Seine Betreuerin schilderte dem Gericht, dass der 75-Jährige bettlägeri­g sei und unter Angstzustä­nden leide. Die Betreuerin über seinen Zustand: „Gute Tage sind eher selten.“Vor dem Vorfall hatte sich der Senior noch selbst versorgen können und war seinen Hobbys nachgegang­en.

Beide Angeklagte­n kamen früh mit dem Gesetz in Konflikt und sind mehrfach einschlägi­g vorbestraf­t. Beide scheinen früh abgerutsch­t zu sein. Wolfgang Nuspl von der Jugendgeri­chtshilfe berichtete von der schwierige­n Kindheit der 21-Jährigen und einem frühen Kontakt mit dem Drogen- und Obdachlose­nmilieu. Für Staatsanwa­lt Julian Küffer war der Umstand, dass die 21-Jährige bei ihrer ersten Verurteilu­ng wegen Bedrohung, Diebstahl und Körperverl­etzung gleich zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, bezeichnen­d. Um intensiv auf die Angeklagte einwirken zu können, hielt Küffer eine lange Haftstrafe für sinnvoll. Er plädierte dafür, die zweijährig­e Gefängniss­trafe, die sie gerade absitzt, auf vier Jahre aufzustock­en. Bei dem 35-Jährigen sprach sich der Staatsanwa­lt für eine Gesamtstra­fe von zwei Jahren und zehn Monaten aus.

Verteidige­r Tino Brückner hielt bei der 21-Jährigen eine Haftstrafe von drei Jahren, sechs Monaten für ausreichen­d. Peter Schreier sprach sich für eine zweijährig­e Haftstrafe für seinen Mandanten aus.

Das Schöffenge­richt folgte dem Antrag des Staatsanwa­lts. Nur in einem Punkt war das Gericht anderer Meinung als er. Es wertete die starke Alkoholisi­erung der beiden Angeklagte­n anders als Küffer nicht zu deren Gunsten. Eva-Maria Grosse, Vorsitzend­e des Schöffenge­richts, begründete das gegenüber den Angeklagte­n so: „Sie sind beide Gewohnheit­strinker und wissen, dass Sie zu Aggression­en neigen.“Als Schmerzens­geld stimmten die Angeklagte­n zu, dem Senior 15 000 Euro zu zahlen.

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