300 WhatsApp Nachrichten in drei Stunden
Friedberger Gymnasiasten beschäftigen sich so viel mit ihrem Smartphone, dass das Lernen darunter leidet. Die Schulleitung schreibt deshalb einen Brief an die Eltern. Diese sollen die Kinder vom Handy fernhalten
Das Schulforum des Gymnasiums Friedberg empfiehlt Unterstufenschülern eine „smartphonefreie Zeit“von drei Stunden am Nachmittag, damit sie sich ungestört ihren Hausaufgaben widmen können. So steht es in einem Brief, den die Schulleitung an Eltern und Schüler verschickt hat. Grund ist eine „tendenziell problematische Lern- und Leistungssituation“, wie es in dem Schreiben heißt. Als Ursache vermuten Schüler, Eltern und Lehrer, die im Schulforum vertreten sind, das Phänomen „Generation Smartphone“. Ein Unterstufenschüler habe berichtet, dass er in drei Stunden 300 Nachrichten über WhatsApp erhielt.
Eine Mutter erklärt, wie es zu dieser Menge kommen kann: „Die Kinder organisieren sich in Klassenchats, das ist praktisch, auch um sich über Hausaufgaben auszutauschen.“In solchen WhatsAppGruppen sieht jeder alle Nachrichten aller anderen Mitglieder. Oft geht es aber nicht nur darum, wer welchen Lösungsweg bei der Hausaufgabe gefunden hat, sondern es werden Bemerkungen, Tratsch und Emoticon-Symbole verschickt. „Da geben 30 Schüler irgendetwas von sich und das Handy piept unentwegt.“Viele Jugendliche sind in mehreren solcher Gruppen – von der Schulklasse über das SportTeam, die Freundinnen bis hin zu Gruppen, die sich über OnlineSpiele austauschen. Das summiert sich. „Manche Kinder sind wahnsinnig viel online“, erzählt die Mutter. Ihr Sohn zum Glück nicht. Schaut er dann aufs Handy, haben sich da fast 100 ungelesene Nachrichten angesammelt. Allein sie nur oberflächlich zu überfliegen, kostet Zeit und Konzentration.
Schulleiter Bernhard Gruber teilt zu dem Thema auf Anfrage unserer Zeitung mit, die Konzentrationsfähigkeit der Kinder habe über die Jahre erkennbar abgenommen. Auch viele Eltern hätten den Dauergebrauch des Smartphones beklagt. Dieser sei in vielen Familien zum „innerfamiliären Dauerkonfliktthema“geworden. Deswegen habe sich das Schulforum zu dem Brief als „Gestaltungsvorschlag“entschlossen. Sie habe den Brief mit ihrem Sohn durchgelesen, sagt die Mutter. Auch er habe gesagt: „Es stimmt, man kommt ständig draus.“
Das Mobiltelefon ist nach Angaben des Bundesfamilienministeriums unter Kindern und Jugendlichen das am stärksten verbreitete Medium. 97 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen besitzen ein Handy. Ein Drittel der Kinder zwischen acht und neun Jahren hat heute ein eigenes Handy, bei den Zehn- bis Elfjährigen sind es zwei Drittel. Dabei nutzen Mädchen das Handy häufiger als Jungen.
Die Schule führt Kinder auch an Medien heran. Hausaufgaben bringen sie auf einem Computer-Stick mit, Vertretungs- und Schulaufgabenplan sind online. Am Gymnasium selber müssen, wie an anderen Bildungseinrichtungen, Handys ausgeschaltet sein. Sie können sonst eingezogen werden. Das regelt das bayerische Gesetz über das Erzie- hungs- und Unterrichtswesen. Mit Projekten versucht die Schule außerdem, Schüler für digitale Medien zu sensibilisieren. Laut Gruber gibt es unter anderem einen Medienführerschein in der Unterstufe und das Projekt „Klik – Klar im Kopf“des Kreisjugendamtes. Handys sind Thema beim Elternabend und im Physik-Wahlkurs für die Mittelstufe. Hier geht es unter anderem darum, dass sie ein hilfreicher, aber auch lästiger Begleiter im Alltag sein können. Viele Erwachsene merken, dass ihre Kinder sich nicht mehr so konzentrieren können, wie sie selber. „Das liegt aber nicht nur am Handy, sondern an der allgemeinen Reizüberflutung“, meint die Mutter. Eltern hätten jedenfalls positiv auf das Schreiben reagiert, berichtet Gruber.