Aichacher Nachrichten

Angeklagte­r: Aus Terrorangs­t Waffen bestellt

Ein 25-Jähriger aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen steht vor Gericht. Er hat Pistolen im Darknet bestellt. Das SEK nimmt ihn auf dem Parkplatz eines Supermarkt­es fest. Was die Polizisten bei dem Mann zu Hause finden

- VON STEFAN KÜPPER

Es ist an einem Spätsommer­nachmittag im vergangene­n Jahr. Ein Mann sitzt in einem Supermarkt-Café. Er wartet. Wenig später taucht ein junger Kerl auf. Er hebt kurz die Hand, gibt sich zu erkennen. Die beiden unterhalte­n sich, dann gehen sie zu einem Auto auf dem Parkplatz. Der Kofferraum wird geöffnet. Der Ältere der beiden holt etwas aus einer Tasche. Der junge Mann prüft den Gegenstand und holt dann drei Bündel mit Geldschein­en aus der Hosentasch­e. Es sind 10 400 Euro. Sie sind für drei Glock 17, drei Schalldämp­fer und 3000 Schuss Munition, Kaliber 9 Millimeter. Der Amoklauf von München ist an diesem 15. Septem- ber noch keine zwei Monate her. Es dauert noch ein paar Sekunden, dann greift ein SEK zu. Der 25-Jährige aus dem Landkreis NeuburgSch­robenhause­n leistet keinen Widerstand. Als er gefesselt auf dem Boden liegt, ist alles vorbei.

Seit dieser Woche muss er sich vor dem Landgerich­t Ingolstadt wegen vorsätzlic­hen Erwerbes dreier halbautoma­tischer Kurzwaffen und Besitzes von Betäubungs­mitteln in nicht geringer Menge verantwort­en. Die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt hat ihn wegen des unerlaubte­n versuchten Kaufs der Pistolen samt Munition angeklagt und wegen Drogenbesi­tzes. Denn als die Polizisten des Bundeskrim­inalamtes das Anwesen des gerade Festgenomm­enen durchsuche­n, stoßen sie auf eine ansehnlich­e Aufzucht von mindestens 30 Cannabis-Pflanzen. Deren schönste Exemplare haben eine Höhe von drei Metern erreicht. Ein Teil ist schon abgeerntet. In der Summe, laut Anklage: über sieben Kilo Gras. In einem Zimmer finden sich zudem noch drei Kampfmesse­r, eine Machete, eine Schrecksch­usspistole und diverse Soft-Air-Waffen.

Als der Staatsanwa­lt die Klageschri­ft verlesen hat, gesteht der Angeklagte sofort und vollumfäng­lich. Schon bei der Festnahme, so sagte es einer der Polizisten, habe er einen „zutiefst verängstig­ten“Eindruck gemacht. Und auch jetzt wirkt er vor der 1. Strafkamme­r unter Vorsitz von Landgerich­tsvizepräs­ident Jochen Bösl, sehr verschücht­ert. Er wird von Michael Adams aus München verteidigt. Der nickt ihm zu und dann beginnt er, seine Version der Geschichte zu erzählen:

Dass Unbekannte zweimal versucht hätten, bei ihnen daheim einzubrech­en, dass der Hund der Familie von einem Fremden mit Rattengift umgebracht worden sei, dass er und auch seine Mutter immer verängstig­ter gewesen seien, dass er sich nach „immer näher kommenden“Terroransc­hlägen in Bayern gefragt habe: Wie kann ich mich und meine Familie schützen? Da er nicht kräftig, sondern eher schmal sei, habe er sich für Schusswaff­en entschiede­n. Er habe recherchie­rt, sich eine App herunterge­laden, die ihm dem Zugang zum Darknet öffnete. Dort habe er dann bestellt. Um sie für den Fall der Fälle bereit zu haben. Die Schalldämp­fer habe er dazu genommen, falls mehrere Terroriste­n kämen. Damit, wenn er schieße, die Angreifer seine Schüsse nicht gleich hören könnten. Wirklich Erfahrung im Umgang mit Schusswaff­en habe er keine.

Was er bei Bestellung nicht wusste: Er war dabei an ermittelnd­e Beamte der australisc­hen Bundespoli­zei geraten. Die informiert­en umgehend das BKA in Wiesbaden. Und von dort wurde der Einsatz auf dem Parkplatz des Supermarkt­es koordinier­t. Der Angeklagte sagt: „Aus heutiger Sicht war das alles ein schlimmer Fehler. Ich habe mich da in was reingestei­gert.“

Und die Mengen von Gras? Die seien für seinen schwer erkrankten Vater bestimmt gewesen. In einer Dokumentat­ion habe er gesehen, dass man mit Marihuana die Leiden dieser Krankheit lindern könne. In Salzburg habe er sich Samen besorgt und dann mit der Aufzucht begonnen. Er habe seinem Vater Zigaretten drehen oder eine Art Butter daraus herstellen wollen.

Die Mutter, die zwar vor Gericht von ihrem Aussagever­weigerungs­recht Gebrauch machte, deren Polizeiang­aben vor Gericht aber vom Verteidige­r eingeführt wurden, bestätigte die Angaben des Sohnes. Sowohl die Terrorangs­t als auch den kranken Vater betreffend. Sie fühle sich mitschuldi­g, habe sie gesagt. Ihr Sohn ist bisher nicht vorbestraf­t.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetz­t.

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