Geht der SPD wieder die Luft aus?
Umfragen Die Demoskopen liefern unerfreuliche Nachrichten für die Sozialdemokraten. Während die Zahlen immer schlechter werden, wird die Frage laut: Wo ist eigentlich Martin Schulz?
Wo ist Martin Schulz? Ob heute im ZDF oder Tagesthemen in der ARD: Türkei, Kanzlerin, Syrien, immer wieder Außenminister Gabriel und natürlich der tägliche Blick auf Trump und seine illustre Familie. Vom SPD-Kanzlerkandidaten, der die Sozialdemokraten noch vor wenigen Wochen in einen wahren Glücksrausch versetzt hatte, keine Spur. Dabei ist der Mann zurzeit rastlos unterwegs in NordrheinWestfalen und Schleswig-Holstein, hetzt von Termin zu Termin durch die Provinz. Aber bundespolitisch kommt er kaum vor. In Berlin findet Schulz derzeit nicht statt. Mit einer Ausnahme: Wenn die großen Meinungsforschungsinstitute ihre neuen Zahlen herausgeben. Dann ist Schulz, genauer der sogenannte „Schulz-Effekt“, Thema.
Ein Effekt, der sich jedoch Prozentpunkt für Prozentpunkt aufzulösen scheint. Das ZDF-Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen präsentiert gleich einen ganzen Strauß schlechter Nachrichten für die SPD und ihren Frontmann: Angela Merkel hängt Schulz in Sachen Beliebtheit immer weiter ab. In Schleswig-Holstein, wo am 7. März gewählt wird, zieht die CDU an der SPD vorbei. Auch in NRW – dort ist der Wähler eine Woche später gefragt – wird die Luft für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft laut Umfragen dünner und dünner. Und: Das Politbarometer sieht die SPD bundesweit erstmals seit Monaten unter der 30-Prozent-Marke.
Wäre am Sonntag Bundestagswahl, käme die Partei auf 29 Prozent, das sind gleich satte drei Punkte weniger als Anfang April. Die Union legt in der am Freitag veröffentlichten Umfrage zugleich um zwei Punkte auf 37 Prozent zu. Bei der Frage, wen man nach der Bundestagswahl lieber als Kanzler oder Kanzlerin hätte, hat Amtsinhaberin Angela Merkel (CDU) bereits einen stattlichen Vorsprung. Sie bevorzugen nun 50 (zuvor 48) Prozent als Regierungschefin, Schulz wünschen sich 37 (zuvor 40) Prozent.
Die Linke (9 Prozent), die Grünen (8 Prozent) und die FDP (6 Prozent) können sich jeweils um einen Punkt im Vergleich zu Anfang April verbessern. Die AfD büßt einen Punkt auf acht Prozent ein – glaubt man der Analyse, nehmen ihr immer mehr Wähler übel, dass sie sich nicht ausreichend von Rechtsaußenpositionen distanziert.
Die SPD jedoch profitiert derzeit von dieser Schwäche nicht. Wer die Zahlen zusammenrechnet, um auszuloten, welche Koalitionen mög- lich wären, kommt zunächst einmal auf den Status quo: Eine schwarzrote Regierung wäre problemlos möglich, auch ein Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP hätte eine Mehrheit. Nicht reichen würde es dagegen für eine „Ampel“aus SPD, Grünen und FDP oder eben auch Rot-Rot-Grün.
Es war Schulz, der vor der Wahl im Saarland den Eindruck erweckt hatte, dass eine Koalition unter Beteiligung der Linken durchaus eine Option sei. Mittlerweile dämmert führenden SPD-Politikern, dass dies eine der schlechteren Ideen von Schulz gewesen ist. Dass der Spitzenkandidat nach der Wahl umgehend den Liberalen schöne Augen machte, wirkte auch etwas unglücklich – eher ein wenig atemlos.
In dieser Situation schaut sich die SPD nach Ereignissen um, die ihr etwas Rückenwind verschaffen könnten. Bis vor wenigen Wochen ruhten die Blicke der Genossen erwartungsfroh auf dem nördlichsten Zipfel der Republik. In SchleswigHolstein regiert ein sozialdemokratischer Ministerpräsident. Torsten Albig gilt als charismatisch und recht erfolgreich. Die Zahlen haben sich dennoch gedreht: Gut eine Woche vor der Landtagswahl kommen die Christdemokraten auf 32 Prozent, die SPD fällt mit glatt 30 Prozent auf Rang zwei zurück. Auch die ARD-Vorwahlumfrage von Infratest dimap sieht die CDU mit ihrem Spitzenmann Daniel Günther mit 32 Prozent einen Prozentpunkt vor der SPD. Das ist heikel für Albig, denn eine Neuauflage der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und dem SSW – der Partei der dänischen Minderheit – hätte im neuen Kieler Parlament keine Mehrheit mehr. Da unklar ist, ob es die Linke (5 Prozent) oder die AfD (6 Prozent) über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, spricht auch in Schleswig-Holstein einiges für eine Große Koalition. Obschon die Wähler – anders als in den meisten anderen Bundesländern – eine Elefantenhochzeit mehrheitlich ablehnen.
Schulz ist natürlich in den nächsten Tagen in Schleswig-Holstein präsent. Ungerührt führt er seinen Wahlkampf an der Basis weiter. Redet in kleinen Mehrzweckhallen, geht durch Fußgängerzonen, spricht Passanten an. Die Frage ist, ob diese Art des Stimmenfangs durchschlägt, wenn es Schulz nicht gleichzeitig gelingt, bundesweit Themen und Akzente zu setzen.
Das Flirten mit der Linken kam gar nicht gut an