Roland Kaiser, Schlagerkönig
Sein Geschäft ist ein seltsames Spiel. Heute wird der Sänger 65 Jahre alt. Nur Sänger? Von wegen. Dass der Pegida-Gegner noch auftritt, ist fast ein Wunder
Gibt es ein schöneres Gelände für ein Open-Air-Konzert als die Elbwiesen in Dresden, von denen aus man schräg rüberschaut zu den Kirchen, dem Zwinger und der Semper-Oper? Roland Kaiser, Schlagersänger und untauglich für die Oper „La Bohème“, hat es geschafft, wieder einmal. Sein Dresdener Spektakel „Kaisermania“, seit 2003 im Programm, ist an vier Tagen vor zehntausenden Menschen auch in diesem August praktisch ausverkauft.
Es muss was dran sein an dem Mann, der heute seinen 65. Geburtstag feiert. Den er nach eigener Einschätzung wohl nicht erlebt hätte. Denn seit er im Jahr 2009 an der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit COPD erkrankt war, ahnte Kaiser die Endlichkeit des Schlagerdaseins. Eine 2010 erfolgte Lungentransplantation brachte ihn zurück auf die Bühne. Unglaublich. Viele Kollegen aus der Schlagerbranche hatten ihm die Daumen gedrückt, allen voran Mary Roos, eine Freundin von Herzen, die Kaiser schon mal gerne „Maria“nennt.
Dass der im Berliner Wedding geborene Postfahrer und Autoverkäufer eine Schlagerkarriere sondergleichen ansteuern würde, passt in die Biografie eines ehrgeizigen jungen Mannes, der wusste, was in den schlagerseligen 70er Jahren ankam. Darunter die „Sieben Fässer Wein“, die es zu vernichten galt, gefolgt von „Santa Maria“mit den unvergessenen Banalzeilen „Santa Maria … an deinen schneeweißen Stränden hielt ich ihre Jugend in den Händen“. Urlaubserinnerungen, Sehnsüchte, inklusive das Kreuzfahrtglück im Auge. Den Gipfel der Trivialisierung erreichte Hobbypilot Kaiser allerdings mit Liedern wie „Lieb mich ein letztes Mal“und „Manchmal möchte ich schon mit dir…“. Wer jemals ein Konzert mit Roland Kaiser, geborenem Keiler, erlebt hat, war eingeklemmt zwischen zwei bis drei Damen. Was so schlimm nicht war. Denn der Star des Abends verstand sich auch auf die nächtlichen Balladen, in denen ein verlassener Streuner unter den sparsam erleuchteten Fenstern der Ex- oder aktuellen Geliebten vor sich hin sang – natürlich weit weg von Frank Sinatra, aber trotzdem cool für einen Schlagerfuzzi. Mal ehrlich: Wer hat nicht schon auf den Kanaren oder zumindest an den Ostseestränden mitgesungen, wenn „Joana“angestimmt wurde, das Lied von jener Frau, die geboren wurde, „um Liebe zu geben“.
Der Schlagerkönig, Vater von drei Kindern aus drei Ehen, lebt heute in einem Haus bei Münster. Kaiser hält es auch mit der Politik, was eher selten ist in seiner Branche. Der bekennende Sozialdemokrat, der für sein Engagement im Jahr 2016 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, machte schon Wahlkampf für die SPD und protestierte gegen die Pegida.
Mit weit über 90 Millionen verkauften Tonträgern gilt Roland Kaiser als einer der erfolgreichsten Interpreten und Produzenten. Er bleibt bescheiden. Jeder Auftritt nach seiner Krankheit sei „im Prinzip ein Geschenk“. Rupert Huber