Weniger Ethik ist für die Fifa mehr
VON ANTON SCHWANKHART
Wenn die Moral zur Disposition steht, die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen, schlägt die Stunde der Ethikkommission. Sie soll Wegweiser und Rettungsring sein. An ihn klammern sich Verbände und Unternehmen, die im selbst geschaffenen Sumpf aus Betrug und Korruption zu versinken drohen. Wer zur Ethikkommission greift, handelt nicht aus freien Stücken, nicht aus Leidenschaft für die Wahrheit. Er ist ein Getriebener, dem das Wasser bis zum Hals steht.
So war es der Weltfußball-Verband Fifa, dem das System Blatter mit seinen Abhängigkeiten und dunklen Geldflüssen die Luft nahm, ehe die selbst gewählte Ethik-Kommission begann, in der Weltregierung des Fußballs aufzuräumen. Das ging nicht ohne harte Schnitte und schmerzhafte Wahrheiten. Sepp Blatter und der nicht weniger korrupte Präsident des europäischen Fußball-Verbandes Uefa, Michel Platini, mussten gehen.
Die Ethiker in Person des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert und des Schweizers Cornel Borbély gewannen für die Fifa Vertrauen zurück. Mit der Feigenblatt-Rolle gab sich die Kommission nicht zufrieden. Offenbar aber haben Eckert und Borbély ihre Aufgabe ernster genommen, als sich die neue Fifa-Führung das gedacht hatte. Das Fifa-Council hat den beiden erfolgreichen Ermittlern jetzt den Laufpass gegeben, ebenso den meisten anderen Mitgliedern der Kommission.
Der neue Fifa-Präsident Gianni Infantino hat scheinbar schon wieder genug von Ethik und Moral. Mitten im Prozess der Erneuerung lässt er die Pferde wechseln. Das bewährte deutsch-schweizerische Gespann muss weichen. Die Folge: Hunderte offene Fälle im Skandal um den Weltverband bleiben erst einmal liegen. Der Reformprozess stockt. Darüber hinaus ist nicht zu erwarten, dass die neue Kommission mit derselben Schärfe ermittelt wie die alte. Mit ein bisschen weniger Ethik lebt’s sich nicht nur in der Fifa leichter.