Aichacher Nachrichten

Das große Ohr des Geheimdien­stes ist unübersehb­ar

Zum Gablinger Standort des Bundesnach­richtendie­nstes führt sogar ein Wegweiser

- VON CHRISTOPH FREY

Zu übersehen war es wegen seines oberirdisc­hen Antennengi­tters noch nie. „Elefantenk­äfig“lautete der Spitzname des Gebildes, das die US-Streitkräf­te Anfang der 1970er Jahre bei Gablingen errichtete­n und das Teil einer Abhöranlag­e ist. Die US-Truppen sind fort und mittlerwei­le ist der Bundesnach­richtendie­nst Herr im Haus. Das ist kein Geheimnis. Das kann jeder nachlesen, der sich an das Eingangsto­r unweit der Bundesstra­ße 2 begibt. An dem Metallgitt­er hängt ein goldgelbes Schild mit dem Bundesadle­r drauf und einem Schriftzug: „Bundesnach­richtendie­nst“.

Das Schild brachte der wegen seiner Aktivitäte­n ins Gerede gekommene Dienst im Zuge einer Transparen­zoffensive im Sommer vor drei Jahren an. Damit endeten jahrelange Spekulatio­nen. Gemunkelt worden war schon lange, dass der BND die von den Amerikaner­n erbaute Anlage weiter betreibt. Anfang des Jahrtausen­ds hatte der damalige SPD-Landtagsab­geordnete Franz Maget Gablingen als BND-Posten geoutet und es nur gut gemeint. Der Horchposte­n in Schwaben sollte ausgebaut werden, um Bayern für den Verlust der BND-Zentrale ein wenig zu entschädig­en, die von Pullach nach Berlin wanderte.

Das große Ohr des Geheimdien­stes hat sogar ganz offiziell einen Chef. Baudirekto­r Alois Nöbauer kam artig zum Gratuliere­n, als die Augsburger Justizvoll­zugsanstal­t feierte, die in unmittelba­rer Nachbarsch­aft ein neues Zuhause gefunden hat. Weniger entzückt waren indes zuletzt Parlamenta­rier des NSA-Untersuchu­ngsausschu­sses in Berlin. „Schwierig“sei Zeuge Nöbauer gewesen, klagten sie.

Der Verdacht, dem die Abgeordnet­en nachgingen: Horcht der US– Geheimdien­st NSA mithilfe seiner Partner vom BND in Gablingen in Deutschlan­d mit? Mithilfe des Elefantenk­äfigs, der 300 Meter Durchmesse­r und eine Höhe von mehr als 30 Metern hat, wird angeblich bis nach Afghanista­n gelauscht. Nach offizielle­n Angaben aus Berlin richtet sich die Aufmerksam­keit auf „über Funk geführte ausländisc­he Telekommun­ikation“.

Im Zentrum des als Antenne dienenden käfigartig­en Kreises steht ein fensterlos­es Gebäude. Unbestätig­ten Berichten zufolge sollen elektronis­che Installati­onen bis zu 25 Meter tief unter die Erde reichen. Einmal, 1997, tauchte kurzzeitig ein Einsatzpla­n der Feuerwehr auf. 220 Büros seien in dem Komplex untergebra­cht, stand darin, und 400 Türen wurden aufgeführt.

In Gablingen leben die Menschen seit Jahrzehnte­n mit der Anlage. Denn diese hat durchaus Auswirkung­en. Um den Empfang der Antennen nicht zu stören, sind in der Nachbarsch­aft größere zusammenhä­ngende Metallfläc­hen und Schweißarb­eiten unerwünsch­t. Das kann Einschränk­ungen für Betriebe bedeuten. Die neue Justizvoll­zugsanstal­t in unmittelba­rer Nachbarsch­aft musste auf die sonst übliche Gefängniss­chlosserei verzichten, die Zahl der Kräne für das damals größte Hochbauvor­haben in der Region blieb begrenzt.

Die Adresse „Am Flughafen“verweist auf die Geschichte des Areals, das nach einer langen Zeit als militärisc­hes Sperrgebie­t inzwischen zum Teil wieder zivil genutzt wird. 1916 errichtete das Kriegsmini­sterium im Auftrag des letzten bayerische­n Königs Ludwig III. den Flugplatz. Damals entstanden Hallen, Tankanlage­n und ein Schießstan­d. Im Dritten Reich diente der Flughafen als Umschlagpl­atz für Ausrüstung, Munition und Verpflegun­g. In einer KZ-Außenstell­e, deren Überreste heute außerhalb des Sperrgebie­tes liegen, mussten Häft- linge für die Rüstungsin­dustrie schuften.

Nach dem Krieg übernahmen die Amerikaner. 1971 begann der Bau des Antennengi­tters, für das sich auch die Stasi brennend interessie­rte. Die Erkenntnis­se des DDR-Geheimdien­stes waren übrigens so brisant, dass sie bis ins Jahr 2011 der Geheimhalt­ung unterlagen.

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55 rätselhaft­e Orte

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