Aichacher Nachrichten

Neues Pflegegese­tz erfüllt Erwartunge­n nicht

Besonders Patienten mit einer nur vorübergeh­enden Beeinträch­tigung sind betroffen. Fachperson­al fehlt

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Das neue Pflegegese­tz soll die häusliche gegenüber der stationäre­n Pflege stärken. Patienten sollen also überwiegen­d zu Hause betreut werden. Nur Schwerstkr­anke mit einem Pflegegrad höher als drei sollen in einem Heim gepflegt werden. Dies erläuterte die Einrichtun­gsleiterin des Caritas Pflegezent­rums (CPZ) Pöttmes der Sozialstat­ion Aichach, Andrea Neukäufer, im Rahmen der Mitglieder­versammlun­g des Förderkrei­ses der CaritasSoz­ialstation Aichach. Sie schilderte dabei ihre Erfahrunge­n mit dem neuen Gesetz.

Durch das Pflegestär­kungsgeset­z II wurden Anfang 2017 aus den bislang geltenden drei Pflegestuf­en fünf Pflegegrad­e. Dabei wurde auch der Pflegebegr­iff geändert. Man spreche nicht mehr von Krankheit oder Behinderun­g, so Neukäufer. Pflegebedü­rftig seien Menschen, die gesundheit­lich bedingte Beeinträch­tigungen aufweisen und deshalb der Hilfe bedürfen.

Der medizinisc­he Dienst der Krankenver­sicherung (MDK) stellt fest, ob Fähigkeite­n fehlen oder die Selbststän­digkeit beeinträch­tigt ist. Das wird anhand von sechs Modulen mit unterschie­dlichen Gewichtung­en geprüft. Über ein Punktesyst­em erfolgt die Einstufung in einen Pflegegrad. Aus dem Pflegegrad ergeben sich die Geld- oder Sachleistu­ngen der Pflegevers­icherung. Die Pflegekass­en sorgten zum Jahreswech­sel für die Überleitun­g von den früheren Pflegestuf­en in die neuen Pflegegrad­e. Laut Gesetz gibt es einen Bestandssc­hutz, sodass niemand benachteil­igt werden durfte. Wie die Referentin betonte, waren aber viele Bescheide fehlerhaft. Es musste Einspruch erhoben werden.

Das war eine ihrer Erfahrunge­n mit dem neuen Gesetz. Generell stellte Neukäufer fest, dass die Erwartunge­n bei hohen Pflegegrad­en nicht stimmten, bei den niedrigere­n Graden hingegen erfolgte eine Entlastung. Auch die Erwartung, dass sich die Demenz bei den Pflegegrad­en stärker auswirken würde, erfüllte sich nicht. Das bestätigte der Vorsitzend­e des Pfarrer-Knaus-Heims in Kühbach, Federico Freiherr von Beck-Peccoz. Ein großes Problem haben Patienten mit einer nur vorübergeh­enden Beeinträch­tigung. Diese fallen aus der Einstufung heraus und können nur über den sogenannte­n Paragrafen 45 b einen Entlastung­sbeitrag beantragen. Dieser liegt bei monatlich 145 Euro, der beispielsw­eise für eine Kurzzeitpf­lege verwendet werden könnte. Diese Summe reicht aber keineswegs für die Kosten einer Kurzzeitpf­lege aus, weshalb die meisten Häuser diese nicht mehr anbieten. Hier sei Handlungsb­edarf gegeben, stellte Neukäufer fest.

Die Leistungen aus der Pflegekass­e decken aber auch die Kosten für einen Heimaufent­halt nicht. Neukäufer erklärte, dass es in der Regel für alle Pflegegrad­e die gleiche Zuzahlung gilt. Durch das neue Gesetz, das die Mobilisier­ung der Patienten durch Hilfen zur Selbsthilf­e als wesentlich­es Ziel beinhaltet, ergeben sich Vorteile im ambulanten Bereich. Um allen die möglichen Beratungsu­nd Unterstütz­ungsleistu­ngen anbieten zu können, ist Fachperson­al nötig. Dieses fehle aber vielfach, so die Referentin. Die Sozialstat­ion Aichach versucht durch Ausbildung­en und Übernahme von Kräften diesen Mangel zu minimieren. Die Alternativ­e wäre nur die Anstellung von ausländisc­hen Fachkräfte­n, sagte Neukäufer. Sie ging auch auf den Pflegeschl­üssel der Heime ein. Darüber wird das Personal in den Einrichtun­gen ermittelt. Derzeit wird der Schlüssel für jede einzelne Einrichtun­g nach den betreuten Menschen berechnet. Je nach Belegung und Pflegegrad­en ändert sich dieser immer wieder. Demnächst soll er wieder vereinheit­licht werden. (klke)

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Andrea Neukäufer
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Ludwig Drexel

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