Aichacher Nachrichten

Mysteriöse­r Vorfall auf der Autobahn

Zwei Frauen sehen einen Exhibition­isten und melden diesen bei der Polizei. Doch auf der Anklageban­k landet der Falsche

- VON SVEN KOUKAL

Der Vorfall liegt bereits zwei Jahre zurück, doch jene Nacht im März haben die beiden Frauen noch klar vor Augen. Gegen 4 Uhr morgens fahren sie nach einem Ausflug aus Ulm zurück nach Hause. Auf der Autobahn A 8, Höhe Neusäß, fällt ihnen ein Auto auf, das in Schlangenl­inien fährt, immer wieder abbremst. Auch das Licht im Auto ist an. Auf der Bundesstra­ße B2 erkennen die Frauen das Auto wieder und bleiben parallel zu ihm stehen. Die jungen Frauen wollen gesehen haben, wie sich der Fahrer im anderen Auto selbst befriedigt­e.

Ein 51-jähriger Mann aus dem nördlichen Landkreis Augsburg musste sich deshalb wegen des Vorwurfs des Exhibition­ismus vor dem Amtsgerich­t in Augsburg verantwort­en. Bewusst habe er die Aufmerksam­keit der Frauen gesucht, so die Anklage. Richter Ralf Hirmer sprach den Beschuldig­ten frei.

Die 25-jährige Fahrerin des Autos erinnerte sich ungern an den Vorfall zurück. „Ich war geschockt“, sagt sie bei der Verhandlun­g. Dennoch habe sie sich zusammen mit ihrer Freundin, der zweiten Zeugin, das Autokennze­ichen gemerkt. Auch, weil ein Fanschal und Wimpel eines bekannten Fußballver­eins im Auto aufgehängt waren. Sie warf nur einen flüchtigen Blick in das andere Auto, wandte ihren Kopf schnell ab. Der Mann habe realisiert, dass er bemerkt wurde, und fuhr daraufhin weg. Die beiden Frauen meldeten den Vorfall umgehend der Polizei.

Damit hätten sie alles richtig gemacht, sagen die Experten von der Polizei und vom Bayerische­n Landeskrim­inalamt. Polizeispr­echer Manfred Gottschalk vom Polizeiprä­sidium Schwaben Nord sagt: „Am besten so schnell wie möglich die Polizei verständig­en, schildern, wo sich der Tatort befindet. Auch in welche Richtung der Täter geflohnen ist, wie er aussieht. Das Telefonier­en an sich schreckt bereits viele Täter ab“, sagt Gottschalk.

Oberstes Gebot sei es, sich nicht in Gefahr zu bringen. „Deshalb rate ich auch von Pfefferspr­ay ab. Man weiß nie, wie ein Täter reagiert.“Insgesamt 61 Exhibition­ismusfälle seien 2016 im Zuständigk­eitsbereic­h des Präsidiums registrier­t worden. Ludwig Waldinger vom Landeskrim­inalamt ergänzt: Als betroffene­s Opfer solle immer versucht werden, die Ruhe zu bewahren, denn der Täter erregt sich an der Angst des Opfers. Die Ermittlung­en im Fall des verheirate­ten Mannes erwiesen sich als schwierig. Bei der Polizei konnten beide Zeuginnen den vermeintli­chen Täter auf Bildern nicht identifizi­eren. Auch nicht, als sie wenige Wochen nach dem Vorfall ein zweites Mal zur Polizei gebeten wurden. „Man sieht ja nicht stundenlan­g hin“, sagt die 24-Jährige. Zudem wurde vor Gericht klar, dass das von den Zeuginnen genannte Kennzeiche­n nicht mit dem des Beschuldig­ten übereinsti­mmt.

Für Verteidige­r Philipp Müller ausreichen­d Beweise für einen Freispruch. „Weder das Auto noch der Angeklagte wurden klar identifizi­ert“, sagte Müller. Staatsanwä­ltin Stefanie Gürtler dagegen plädierte auf eine Freiheitss­trafe von sieben Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Zwar haben die Frauen keine bleibenden Schäden, aber „einen bleibenden Eindruck“behalten. Richter Ralf Hirmer stellte fest, dass der Angeklagte vor sechs Jahren als Exhibition­ist auftrat und eine Geldstrafe zahlen musste. In diesem Fall sprach ihn der Richter frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

„So schnell wie möglich die Polizei verständig­en und schildern, wo sich der Tatort befindet. Das Telefonier­en an sich schreckt bereits viele Täter ab.“ Polizeispr­echer Manfred Gottschalk

Newspapers in German

Newspapers from Germany