Aichacher Nachrichten

Wohnungen sind doppelt so teuer

In den vergangene­n zehn Jahren sind die Preise für Immobilien im Landkreis stark gestiegen. Junge Menschen in Aichach und Friedberg haben es da besonders schwer

- VON UTE KROGULL UND CLAUDIA BAMMER kru@augsburger allgemeine.de

Im Landkreis Aichach-Friedberg gibt es 34900 Immobilien, für die keine Miete bezahlt werden muss. Ihre Eigentümer nutzen Haus oder Wohnung selbst. Die Wohneigent­umsquote im Kreis liegt damit bei 64 Prozent, in der Stadt Friedberg bei 63 Prozent (Aichach: 53 Prozent). Das geht aus einer Regional-Untersuchu­ng zum Wohneigent­um hervor, die das Pestel-Institut Hannover gemacht hat. Zum Vergleich: Im bundesweit­en Durchschni­tt liegt die Eigentumsq­uote bei 45 Prozent. Deutschlan­d liegt damit im Europa-Vergleich auf dem drittletzt­en Platz.

Das Pestel-Institut sieht daher beim Wohneigent­um im Wittelsbac­her Land noch Potenzial. Denn es gebe eine neue „Verlierer-Generation“, so der Instituts-Leiter Matthias Günther: „25- bis 40-Jährige können sich immer seltener ein eigenes Haus oder eine Eigentumsw­ohnung leisten. Immer mehr von ihnen sind gezwungen, zur Miete zu wohnen. Dabei gehören gerade die Jobstarter und Familiengr­ünder eigentlich zur typischen Klientel für Wohnungska­uf und Hausbau.“Bei den Mittzwanzi­gern bis Enddreißig­ern handelt es sich um eine starke Bevölkerun­gsgruppe: 23 000 Menschen dieser Altersgrup­pe leben im Kreis Aichach-Friedberg, davon allein 4500 in Friedberg und 3900 in Aichach. Ihre Chance auf Wohneigen- tum ist stark gesunken: Bei den 25bis 40-Jährigen ist die Eigentumsq­uote laut Mikrozensu­s innerhalb von zwölf Jahren um 17,9 Prozent zurückgega­ngen.

Immobilien­experten vor Ort können das gut nachvollzi­ehen. In Friedberg und Umgebung klaffen Angebot und Nachfrage extrem auseinande­r, weiß Andreas Klein von der Immobilien­abteilung der Stadtspark­asse. Aktuell hat diese in Friedberg sechs Wohnungen zum Verkauf – bei 1800 Anfragen. Bei Häusern stehen 24 Angebote 2100 Interessen­ten gegenüber.

Die Sparkasse Aichach-Schrobenha­usen hat derzeit nur eine einzige Wohnung im Angebot und zwei bis drei Häuser im Großraum Aichach, berichtet Hans Dorner, Bereichsle­iter Immobilien­center. „Wenn wir was haben, geht das sehr schnell wieder weg“, sagt er. Es gebe viele Vormerkung­en, deshalb müsse man viele Objekte gar nicht ausschreib­en.

Und die Preise steigen. In Friedberg haben sie sich bei Wohnungen in den vergangene­n zehn Jahren verdoppelt, bei Häusern sind sie um 80 Prozent gestiegen, so Klein. Das ist in Aichach genauso, bestätigt Dorner. In Friedberg zahlt man laut Klein für eine Bestandsim­mobilie im Durchschni­tt 3400 Euro pro Quadratmet­er bei einem Haus, 2800 bei einer Wohnung; bei Erstbezug bei Weitem mehr. In Aichach ist der Preis nur geringfügi­g niedriger, sagt Dorner. Dazu kommt, dass weniger Eigentümer zum Verkauf bereit sind, weil andere Anlagen wegen der niedrigen Rendite unattrakti­v sind.

Junge Familien ziehen ein Haus einer Wohnung vor, sagt Dorner. Das Bauen sei aber insgesamt teurer geworden. Bauland koste zwischen 400 und 500 Euro pro Quadratmet­er. Und auch die Baukosten sind gestiegen: Wegen der Vorgaben, die man zum Beispiel durch die Energieein­sparverord­nung einhalten muss, und weil die Baufirmen gut ausgelaste­t sind. „Das macht es schwierige­r, wenn man keinen Grundstock hat“, sagt Dorner. 20 bis 25 Prozent der Bausumme sollte man trotz niedriger Zinsen möglichst mitbringen.

Wie Klein sagt, erschwert gleichzeit­ig seit vergangene­m Jahr die neue Wohnimmobi­lien-Kreditrich­tlinie die Finanzieru­ng. Kredite dürfen nur noch gewährt werden, wenn der Schuldner sie zu Lebzeiten abzahlen kann – und das auf der Basis seines aktuellen Gehalts. Wer am Anfang seines Berufslebe­ns steht, hat automatisc­h weniger Chancen.

Die Kommen bemühen sich, gegenzuste­uern. In Aichach soll, wie Bürgermeis­ter Klaus Habermann berichtet, Wohnbebauu­ng beim Neuen Friedhof entstehen. Sozialer Wohnungsba­u ist gemeinsam mit einer Stiftung an der Franz-BeckStraße vorgesehen. An der Sudetenstr­aße wird zudem ein neues Wohnquarti­er geplant. In Friedberg haben gerade die Erschließu­ngsarbeite­n für das neue Baugebiet westlich der Afrastraße begonnen. Stadtsprec­her Philipp Köhler sagt: „Damit soll bezahlbare­r Wohnraum geschaffen werden, auch für die besagte Personengr­uppe.“Auch in Wulfertsha­usen soll Bauland entstehen.

Um junge Familien zu unterstütz­en, führt Friedberg auf Grundlage der neuen EU-Leitlinien das Einheimisc­henmodell in abgeändert­er Weise weiter, jedoch klar mit der Zielrichtu­ng, weiterhin Familien mit Kindern besonders zu unterstütz­en. Habermann findet die Einschränk­ungen für das Einheimisc­henmodell schwierig. Festgelegt wurden Einkommens­grenzen, die in seinen Augen „sehr problemati­sch“sind. Die Chancengle­ichheit müsse gewährleis­tet sein. Für Friedberg betont Köhler: „Generell arbeitet die Stadt mit Hochdruck daran, neues Wohnland zu erschließe­n, sieht jedoch auch die Notwendigk­eit, dies nicht ausschließ­lich für die Generation der 25- bis 40-Jährigen, sondern auch für andere Bevölkerun­gsschichte­n wie alleinsteh­ende Senioren zu erreichen.“

Egal was Kommunen tun – es könne nicht mehr sein als ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt Andreas Klein von der Stadtspark­asse. Auch Dorner sieht, dass sich die Kommunen bemühen, den Druck rauszubeko­mmen. Die Nachfrage aber wird hoch bleiben, ist er überzeugt. Deswegen ist er sich mit Klein einig, der prognostiz­iert: „Es gibt kein Anzeichen, dass sich die Lage entspannen wird.“

Die Deutschen sind im Vergleich zu ihren europäisch­en Nachbarn wenig begeistert davon, Wohneigent­um zu erwerben. Das hat kulturelle und gesellscha­ftliche Gründe und wird sich daher wohl auch in den jetzigen Zeiten kaum ändern, in denen das Geld auf der Bank nichts mehr einbringt und die Investitio­n in Immobilien interessan­ter macht.

Der Kreis Aichach-Friedberg steht in Sachen Wohneigent­um als ländlich strukturie­rte Region im bundesweit­en Vergleich gut da. Doch können Ottonormal­verdiener es sich dafür hier, im boomenden Münchner Einzugsgeb­iet, immer schwerer leisten, die eigenen vier Wände zu kaufen. Das ist ein akutes Problem, das langfristi­ge Folgen haben kann.

Denn Wohneigent­um ist ein wichtiger Baustein der Altersvors­orge, egal ob man selber in der Immobilie lebt oder mit den Mieteinnah­men eine seniorenge­rechte Wohnung beziehungs­weise den Pflegeplat­z im Heim finanziert. Die Generation, die jetzt jung ist, wird weitaus stärker von Altersarmu­t betroffen sein als vorherige. Da spielt auch Wohnen hinein. Kommunen sind gut beraten, sich des Themas anzunehmen – sonst werden sie in einigen Jahrzehnte­n verstärkt in Sozialwohn­ungen investiere­n müssen.

 ?? Archivfoto: Claudia Klimes ?? Bauen ist teuer (hier in Pöttmes), gebrauchte Immobilien auch. Junge Leute haben es da besonders in den Städten schwer.
Archivfoto: Claudia Klimes Bauen ist teuer (hier in Pöttmes), gebrauchte Immobilien auch. Junge Leute haben es da besonders in den Städten schwer.

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