Eine erfolgreiche Integration und ihr Ende
Rehlinger Flüchtlingsfamilie muss ausreisen. Ihr Asylantrag in Deutschland wurde rechtskräftig abgelehnt. Bekannte und Helfer der Mutter mit zwei minderjährigen Kindern sind nach jahrelanger Integrationsarbeit frustriert
Trainer Hubert Hohenbichler erinnert sich noch gut: Als der Bub das erste Mal vor ihm auf dem Rehlinger Fußballplatz (Kreis Aichach-Friedberg) stand, sprach er kein Wort Deutsch. Nur ein bisschen Italienisch und Französisch. Mittlerweile kann sich der in Italien geborene 13-Jährige, dessen Familie aus Nigeria stammt, gut verständigen.
Die Zeit bis dahin war nicht einfach – weder für Emeka (* Name von der Redaktion geändert), noch für die Helfer, die ihn und seine Familie seit drei Jahren in Rehling begleiten. Inzwischen ist er anerkannter Torhüter seiner C-Jugend-Mannschaft. „Die Buben akzeptieren den voll. Er ist richtig gut – ein Schlüsselspieler“, sagt Hohenbichler. Emeka gilt bei Leuten, die ihn kennen, als wohlerzogen und guter Schüler.
Vor drei Wochen stand er nach dem Training wieder vor Hohenbichler. „Er hatte feuchte Augen und hat gesagt, er muss aus Deutschland raus. (...) Mich hat fast Schlag getroffen.“Hohenbichler überbrachte den Mitspielern die Hiobsbotschaft. „Ein Drama“, wie er sagt. Die Jungs machten ihrer Enttäuschung in einem Video Luft. Bei Youtube wurde es 2000 Mal aufgerufen. Die Spieler, einige Väter und Hohenbichler wiederholen darin immer wieder: „Ich will, dass er bleibt.“Einige Mitspieler schickten ihre Videobotschaft aus dem Urlaub.
Ihre Hoffnung wird sich nicht erfüllen. Denn die rechtliche Lage ist eindeutig. Die Asylanträge des 13-Jährigen, seiner achtjährigen Schwester und ihrer Mutter wurden rechtskräftig abgelehnt, ebenso ihre Klage dagegen. Das bringe automatisch die Pflicht zur Ausreise mit sich, sagt Simone Losinger, Leiterin der Ausländerbehörde am Landratsamt in Aichach. Sie erklärt aus Datenschutzgründen nur allgemein, wie in solchen Fällen verfahren wird: Flüchtlinge müssten dann in ihre Heimat zurück oder in ein anderes Land, wo sie einreisen dürfen.
Anfang Juli wird Emekas Familie nach Italien fahren. Dort hat sie über zehn Jahre gelebt, bevor sie nach Rehling kam, und hat nach Informationen unserer Zeitung ein Daueraufenthaltsrecht. Deshalb bekommt sie in Deutschland kein Asyl. Sie dürfte aber nach drei Monaten hierher zurückkehren, wenn die Mutter bald darauf eine Wohnung und eine Arbeit nachweisen kann. So will der Staat verhindern, dass er Sozialleistungsempfänger ins Land holt. Hohenbichler sagt wütend: „Das ist doch zum Scheitern verurteilt.“Die Familie habe ja nicht mal eine Wohnung in Italien.
Aus Sorge um ihre Zukunft und im Trubel der nahenden Ausreise will die Mutter die Namen von sich und ihren Kindern nicht in der Zeitung lesen und sich auch nicht äußern. Doch Hohenbichler tut es: „Das ist so traurig, dass man’s nicht aushalten kann. (...) Wenn sie kommen und sind zu Unrecht da, muss man ihnen nach einem Monat sagen: Ihr müsst wieder gehen.“
Dass nach den oft jahrelangen Asylverfahren viel erfolgreiche Integrationsarbeit verloren ist, frusder triert immer mehr ehrenamtliche Asylhelfer. Hinter vorgehaltener Hand ist von politischer Willkür die Rede und dass die Abschiebezahlen zu Wahlkampfzwecken gesteigert würden – gerade in Bayern.
Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Der Grenzschutzagentur Frontex zufolge bleibt fast die Hälfte der abgelehnten Asylbewerber in Deutschland, weil Abschiebungen ausbleiben oder ausgesetzt werden (wir berichteten). Nigeria ist ein gutes Beispiel: Von rund 14000 abgelehnten Aufnahmegesuchen im Vorjahr wurden nur 120 vollzogen. Zunehmend kommen Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern, in die die EU nicht abschieben darf.
In der Rehlinger Flüchtlingsunterkunft leben derzeit 20 Erwachsene und zwölf Kinder aus Afghanistan, Pakistan, Syrien, Somalia und Nigeria. Viele Rehlinger, die Emekas Familie kennen, können nicht fassen, dass sie ausreisen muss. Claudia Dreyer vom Asylkreis hätte sich eine „menschliche Lösung“gewünscht: „Was uns bewegt, ist, dass man eine alleinstehende Frau mit zwei minderjährigen Kindern in ein Land schickt, wo die Gefahr besteht, dass sie auf der Straße schlafen muss.“Zumal die Mutter eine Arbeitsstelle in Aussicht gehabt habe.
In Gespräch mit anderen fallen nach den jüngsten Straftaten nicht abgeschobener Asylbewerber Sätze wie: „Und die, die sich aufführen, können bleiben.“Oder: „Warum spielt es keine Rolle, ob jemand sich gut integriert?“Namentlich will sich damit niemand zitieren lassen.
Auch Simone Losinger bekommt solche Sätze zu hören. Sie ist sich des Frusts der Helfer bewusst. Dennoch gelte: „Für die Asylentscheidung, ob jemand bleiben darf oder nicht, spielt die Integration keine Rolle. Sondern die Fluchtgründe.“Habe jemand erst einmal Bleiberecht, werde seine Integrationsleistung sehr wohl honoriert. Die Rehlinger tun das auf ihre Weise. Für Emeka geben sie heute Abend ein Abschiedsspiel der C-Jugend-Mannschaften des TSV Rehling gegen den BC Aichach. (mit dr) »Kommentar