Ins Netz gegangen
Internetabhängigkeit ist ein weitverbreitetes Phänomen unter Jugendlichen. Anzeichen gibt es viele, doch oft fehlt Betroffenen das Bewusstsein für ihr Problem
Sie checken tief in der Nacht noch WhatsApp-Nachrichten, pflegen den Kontakt mit Freunden auf virtuellen Kommunikationsplattformen häufiger als im realen Leben oder können sich nicht mehr aufmerksam mit Freunden unterhalten, ohne ständig auf ihr Smartphone zu schauen.
Dies ist laut dem aktuellen Suchtbericht der Bundesregierung der Alltag von ungefähr 560000 Internetsüchtigen in Deutschland. Am stärksten sind junge Menschen im Alter von 14 bis 24 Jahren betroffen. Knapp die Hälfte davon verbringt ihre Zeit auf Kommunikationsplattformen wie Facebook, Twitter oder WhatsApp, und das täglich fast fünf Stunden im Durchschnitt.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kommt in der aktuellen Drogenaffinitätsstudie zu dem Ergebnis, dass sich die Zahl der Zwölf- bis 17-Jährigen, die unter Internetabhängigkeit leiden, in den Jahren von 2011 bis 2015 verdoppelt hat. Marlene Mortler (CSU), Drogenbeauftragte der Bundesregierung, bekräftigt auf ihrer Internetseite: „Internetabhängigkeit ist unter jungen Menschen ein Massenphänomen. Für viele ist es zu einer echten Herausforderung gewor- den, die Grenze zwischen realem und virtuellem Leben zu ziehen.“
Falk Kiefer von der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie hat verschiedene Symptome, die auf eine Erkrankung hindeuten, aufgedeckt. „Häufig lassen die Leistungen von Betroffenen in der Schule nach oder sie ziehen sich von Familie und Freunden zurück und verlieren die Kontrolle“, sagt Kiefer laut Deutscher Presseagentur (dpa). „Es funktioniert meist nicht, nach einer Stunde den Rechner wieder auszumachen.“Bedenklich sei allerdings, dass viele Menschen sich ihrer Sucht nicht bewusst sind. Wenn der Drang, ständig online sein zu müssen, überhandnimmt und Grundbedürfnisse wie Schlafen oder Essen vernachlässigt werden, deutet das auf eine Abhängigkeit hin. Laut einer aktuellen Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind mehr Mädchen als Jungen betroffen. Das liegt daran, dass die sozialen Netzwerke bei Mädchen beliebter sind.
Zu den bekanntesten Anwendungen zählt mit 37 Millionen Nutzern allein in Deutschland WhatsApp. Der Messenger-Dienst ist ein absoluter Überflieger und bekam allein im Vorjahr Zuwachs von etwa zwei Millionen neuen Nutzern. Zu den bekanntesten sozialen Netzwerken zählt Facebook. Laut dem aktuellen Quartalsbericht nutzen 30 Millionen Menschen deutschlandweit das Gemeinschaftsportal. Eine Befragung unter Jugendlichen in der Altersgruppe von zehn bis 19 Jahren ergab jedoch, dass nur 32 Prozent davon Facebook nutzen.
Dennoch ist das Liken eines Bildes attraktiv. Menschen streben nach Anerkennung. Das Smartphone ist immer griffbereit, die Meinung schnell abgegeben. Diese Interaktion im Netz löst laut Forschern bei vielen das Glückshormon Dopamin aus. Dabei empfindet derjenige für einen Moment besonders große Genugtuung, der für den neuesten Post eine große Zahl an „Likes“erhält. Wenn allerdings die Aufmerksamkeit abnimmt, sind die Folgen Frustration und Traurigkeit. Exzessive Nutzung sozialer Medien bringt jedoch auch gesundheitliche Konsequenzen mit sich. Neben Bluthochdruck, Diabetes und Schlaflosigkeit kann es auch zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder ADHS kommen. So mancher Social-Media-Junkie bringt sich für das perfekte Bild auf der Foto-Plattform Instagram auch in Lebensgefahr. Immer beliebter werden Selfies auf den Dächern von Hochhäusern ohne Sicherheitsausrüstung. Rooftopping nennt man diesen Trend. In manchen Schulen wird Suchtprävention angeboten. Dort lernen Schüler den richtigen Umgang mit sozialen Netzwerken.