Doch keine Klage gegen die Ehe für alle?
Seehofer äußert sich zurückhaltend. Im Bundestag müsste die Hälfte aller Unionsabgeordneten zustimmen
Mit dem Ja-Wort des Bundestages am Freitag schien die Sache besiegelt: Die Ehe für alle, also auch für lesbische und schwule Paare, kommt. Nur ganz so einfach ist die Sache offenbar doch nicht. Die Gegner wollen sich jedenfalls nicht geschlagen geben beziehungsweise für immer schweigen – wie es bei Hollywood-Hochzeiten so schön heißt. Mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht soll die Gleichstellung mit der klassischen Ehe noch gestoppt werden. Die Frage ist nur: Wer klagt? Viele Konservative setzen auf die Bayerische Staatsregierung – doch Ministerpräsident Horst Seehofer scheint von dieser Idee nicht sonderlich begeistert zu sein.
Erst einmal müsse der „Sachverhalt juristisch sorgfältig geprüft werden“, sagte der CSU-Chef gestern und fügte hinzu: „Das wird eine Zeit dauern. Deswegen kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen, ob der Freistaat Bayern klagt.“Heißt: Seehofer will sich nicht mitten im Wahljahr ein Verfahren ans Bein binden, das möglicherweise eh keine großen Aussichten auf Erfolg hat. Denn unter Juristen ist die Frage, ob der Beschluss zur Ehe für alle mit dem Grundgesetz vereinbar ist, umstritten.
Gut möglich, dass Seehofer die Sache, bei allem Grummeln im eigenen Lager, vorerst auf sich beruhen lässt – zumal er ohnehin weder die Mehrheit der Bevölkerung, noch die der Unions-Anhänger auf seiner Seite hätte. Theoretisch könnte auch die Bundesregierung klagen, das gilt jedoch als ausgeschlossen. Kanzlerin Angela Merkel dürfte keinerlei Interesse daran haben, die Debatte, die sie selbst losgetreten hatte, am Laufen zu halten. Sie stünde dann nicht nur ohne den Koalitionspartner SPD da, sondern auch als schlechte Verliererin, nachdem sie das Thema zuvor zur Gewissensentscheidung der Abgeordneten erklärt hatte.
Da Einzelpersonen nicht klagen können und außer der bayerischen bislang keine andere Landesregierung in Sicht ist, die gegen die Ehe für alle mobil machen könnte, bliebe nur noch der Bundestag selbst. Mindestens ein Viertel des Parlaments müsste sich zusammentun, um prüfen zu lassen, ob die Entscheidung vom Freitag rechtmäßig war. Das wären 158 Abgeordnete. Da SPD, Grüne und Linke geschlossen Ja gesagt hatten, käme es allein auf die 309 Parlamentarier von CDU und CSU an. Mehr als die Hälfte von ihnen müsste sich einer Klage anschließen. Die 75 Abgeordneten, die für die Gleichstellung von homosexuellen Paaren gestimmt hatten, werden das allerdings kaum tun. Und auch die übrigen dürften es sich gut überlegen, ob sie kurz vor der Bundestagswahl gegen eine Entscheidung vorgehen, hinter der nicht nur die Mehrheit des Parlaments steht, sondern auch die Mehrheit der Deutschen. Andererseits gibt es mit Fraktionschef Volker Kauder oder CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt prominente Gegner der Ehe für alle, die vielleicht den einen oder anderen Kollegen überzeugen könnten.
Unabhängig davon prüft auch die AfD rechtliche Schritte. Da sie bislang nicht im Bundestag vertreten ist, sind ihre Erfolgsaussichten aber gering. Darüber hinaus besteht dann nur noch die Möglichkeit, dass sich ein Gericht, das sich bereits mit Praxisfragen der Ehe beschäftigt, an das Bundesverfassungsgericht wendet.