Wann sich eine Zahnspange lohnt
Ärzte verschreiben etwa jedem zweiten Kind eine Klammer. Dabei empfehlen sie häufig Zusatzleistungen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Wer nicht zu viel zahlen möchte, sollte sich genau informieren
Ein ideales Gebiss haben von Natur aus die wenigsten. Wenn die Milchzähne ausfallen, wachsen die bleibenden Zähne häufig ein bisschen schief nach. Die Krankenkassen bezahlen bis zum 18. Lebensjahr eine medizinisch notwendige Korrektur. Laut der Krankenkasse Barmer GEK trägt heute mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen eines Jahrgangs eine Zahnspange. Aber ab wann ist eine Behandlung wirklich sinnvoll?
„Natürlich kann man auch mit schiefen Zähnen gesund und glücklich sein“, sagt Dirk Kropp, Geschäftsführer von proDente, einer Initiative der Zahnarzt- und Dentaltechniker-Verbände. Nicht immer sind Fehlstellungen allerdings nur ein ästhetisches Problem. Kropp zufolge kann ein Fehlbiss auch ein medizinisches Risiko darstellen: Manche Kinder können nicht richtig beißen, kauen oder sprechen. Dass eine Zahnspange die Mundgesundheit verbessert, ist laut Verbraucherzentrale allerdings bisher nicht ausreichend belegt. Darauf weist auch der Gesundheitsmonitor 2016 von Barmer GEK und Bertelsmann Stiftung hin. Demnach argumentieren Kieferorthopäden Eltern gegenüber dennoch häufig mit möglichen Spätfolgen, wenn eine Fehlstellung nicht behandelt wird.
Um zu beurteilen, ob ein Kind eine Zahnspange braucht, orientie- ren sich die Ärzte an kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG). Fehlstellungen des Schweregrads 1 und 2 gelten als so geringfügig, dass die gesetzlichen Kassen die Kosten für eine Zahnspange nicht übernehmen. Ab Grad 3 bezahlen sie die Korrektur, auch wenn das Kind momentan keine Probleme hat.
Entscheiden sich die Eltern für eine Behandlung ihres Kindes, sollte sie beginnen, bevor das Kieferwachstum abgeschlossen ist. „Das ideale Alter liegt bei etwa zehn bis 13 Jahren“, sagt Dirk Kropp. Die Milchzähne müssen nur in seltenen Fällen behandelt werden, beispielsweise wenn der Kiefer besonders schmal ist und das Gebiss auf die eigentliche Spange vorbereitet werden soll. Die Behandlung dauert in der Regel vier Jahre.
Ob ein Patient eine herausnehmbare oder feste Zahnspange benötigt, hängt vom Befund ab. „Meistens macht man eine Kombination aus beidem“, sagt Hub van Rijt, Zahnarzt mit Tätigkeitsschwerpunkt Kieferorthopädie aus Bielefeld. Lose Spangen werden bei leichteren Fehlstellungen oder als Vorbereitung für eine feste Spange eingesetzt. Bei festen Zahnspangen klebt der Kieferorthopäde „Brackets“– kleine Plättchen aus Metall, Keramik oder Kunststoff – auf die Zähne. Ein Drahtbogen, der die Brackets verbindet, bringt die Zähne in die richtige Position. Ist das Behandlungsziel irgendwann erreicht, kann die Spange entfernt werden. Um das Ergebnis zu stabilisieren, schließt sich dann die so genannte „Retentionsphase“an. Hinter den Frontzähnen wird ein Draht befestigt – ein „Retainer“–, der ein bis zwei Jahre dort bleiben sollte.
Auch wenn ein entsprechender Schweregrad vorliegt, übernehmen die Krankenkassen häufig nicht die kompletten Kosten für die Behandlung. In den meisten Fällen zahlen die Eltern kräftig dazu – Beträge von 1000 Euro und mehr sind keine Seltenheit, zeigt der Gesundheitsmonitor. Zusatzleistungen werden vor allem bei festen Spangen angeboten. Teurere Materialen für Brackets und Drähte sind optisch unauffälliger oder versprechen einen besseren Tragekomfort.
Wenn Eltern unsicher sind, ob die angebotenen Leistungen sinnvoll sind, rät van Rijt, eine Zweitmeinung einzuholen. Patienten können sich dazu bei Krankenkassen, Zahnärztekammern oder Verbraucherzentralen beraten lassen. Skeptisch sollte man werden, wenn ein Kieferorthopäde die Kassenleistung gar nicht erst anbietet: „Der Kieferorthopäde ist verpflichtet, die Kassenleistung zu zeigen und zu begründen, warum er etwas anderes vorschlägt“, sagt Zahnarzt Driss Wartini von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD). Dass sich Eltern von Kieferorthopäden unter Druck gesetzt fühlen, hört Wartini allerdings selten. „Die Leute informieren sich heute viel und wissen, dass sie eine freie Arztwahl haben.“Caroline Mayer, dpa