Wie die Direktkandidaten zum Thema Integration stehen
Viererrunde diskutiert kontrovers. Eine Asylhelferin kündigt einen ungewöhnlichen Besuch an
Mit einer kurzweiligen Podiumsdiskussion zum Thema Integration ließ der neue Integrationsbeirat den Augsburger Direktkandidaten für die Bundestagswahl auf den Zahn fühlen. Als Moderator war der Politikwissenschaftler und Leiter des Zentrums für Kanadastudien, Peter
Kraus, bestellt.
Mit strengem Blick auf die Zweiminutenregelung führte er die Diskutanten
Volker Ullrich
(CSU), Ulrike Bahr (SPD), Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) und Frederik Hintermayr (Die Linke) durch das durchaus kontroverse Gespräch und erklärte am Schluss: „Wir haben gezeigt: Selbst bei starken Diskrepanzen ist ein fairer Dialog möglich“.
Die Diskussion drehte sich nicht wie sonst häufig um die Anpassungsleistungen der Menschen mit Migrationshintergrund, sondern um die Leistungen der anderen Seite: Welche Bedingungen müssen Politik und Gesellschaft schaffen, damit Integration auch im Großen funktioniert? Wie muss eine deutsche Einwanderungskultur aussehen? Trotz anfänglicher Floskeln aller Parteien kristallisierten sich schnell einzelne Positionen heraus. Bahr befürwortet den Doppelpass auch für Nicht-EU-Bürger. Hintermayr, von Beruf Krankenpfleger, will wegen des Fachkräftemangels eine Erleichterung des Einbürgerungsverfahrens. Roth erklärt, „Multikulti“sei Realität, müsse aber zusätzlich „demokratisch geformt“werden. Und Ullrich nimmt die Gesetze Kanadas zum Vorbild. „Erspart uns dieses Bekenntnis zum Einwanderungsgesetz jetzt die Leitkulturdebatte?“, will der Moderator wissen. Ullrich spricht sich dafür aus, die Einwanderung für bestimmte Berufe definiert. „20 000 junge Leute für die Ausbildung zum Bäcker aussuchen, das macht Sinn“, so der Abgeordnete. Deutsch aber, darauf besteht er, müssten sie können, bevor sie herkommen.
„Wer auf teuren Privatschulen in Afrika schon Deutsch gelernt hat, will hier sicher nicht Bäcker werden. Wir müssen in diesen Ländern die Armen berücksichtigen“, widerspricht Hintermayr. Er ist mit 25 Jahren der Jüngste der Runde, ist aber schon seit vier Jahren Bezirksrat und war zwei Jahre im Vorstand der bayerischen Linken.
Auch die „Leitkultur“polarisiert. Es gebe Regeln und Werte „neben dem Grundgesetz“, erklärt Ullrich. „Mann und Frau sind gleich und St. Martin darf kein ‚Lichterfest‘ werden.“Stehe ohnehin im Grundgesetz, winkt Bahr ab. Und Roth vermutet hinter der Leitkultur eine „Waffe gegen alle Neueinwanderer“.
Asylhelferinnen lenkten die Debatte schließlich auf den Integrationsalltag. „Ich komme morgen mit 50 jungen Afghanen, Herr Ullrich. Sie könnten jetzt alle eine Ausbildung beginnen, dürfen aber nicht“, erklärte eine von ihnen. Die bayerischen Ausländerbehörden verweigerten ihnen die Arbeitserlaubnis. Landtagsabgeordnete Christine Kamm (Grüne) nannte dazu Zahlen: „Von den derzeit 5000 jungen Flüchtlingen mit Mittelschulabschluss in Bayern haben schon 3000 einen Ausbildungsvertrag. Wegen des Vollzugs der Ausländerämter dürfen aber wohl nur 1000 ihre Ausbildung starten.“Ullrich ergab sich und lud die 50 jungen Afghanen für den nächsten Morgen ins Wahlbüro. Erst mal nur zum Frühstücken.