Und Bach beginnt zu brodeln
Arash Safaians Bearbeitung des Barock-Komponisten lässt Neues entstehen
In der postmodernen Ära des „Anything goes“wird der Umgang zeitgenössischer Komponisten und Arrangeure mit klassischen Werken immer ungezwungener und weniger ehrfurchtsvoll. Gerade bei Bach: Es gibt inzwischen „Neue Brandenburgische Konzerte Nr. 7–12“, eine Zusammenstellung von Instrumentalsätzen aus Kantaten des Meisters, kompiliert und bearbeitet von Bruce Haynes. Was der in München lebende Komponist Arash Safaian mit seinen vier „Überbach“-Concerti vorstellt, geht weit darüber hinaus und war bei einem Konzert in Ev. St. Ulrich zu hören.
Safaian greift Motive, Themen oder ganze Abschnitte aus Bachs Werken heraus, konfrontiert sie miteinander, stellt sie in einen eigenen instrumentalen bzw. klanglichen Kontext und lässt daraus etwas Neues entstehen. Oder wie es Sebastian Knauer, Solist und Leiter des Konzerts, formulierte: Man hört Bach, ohne Bach zu hören. Da kann es sein, dass in einer Collage Fragmente einer Kantaten-Arie mit einem Orgelstück und einem ChorAufschrei aus der Johannespassion verknüpft werden. Oder dass das jedem Klavier-Eleven sattsam bekannte c-Moll-Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier I sich zu einem wild brodelnden Konzertstück entwickelt. Wie überhaupt das Klangbild des Ganzen in Tempo und Dynamik immer wieder die Extreme sucht, rastlos angetrieben von Knauer, dem das fabelhafte Deutsche Kammerorchester mit rückhaltlosem Engagement folgte.
Einen neuen Klang brachte Pascal Schumacher mit dem Vibrafon in Bachs Welt, virtuos wirbelnd in den rasanten Konzertsätzen, bei den wenigen leisen, meditativen Stellen im Dialog mit dem Klavier zart schwingende Antworten formulierend. Man könnte sich in diesem Opus mehr solch ruhige, reflektierende Momente vorstellen. Die Publikums-Ovationen (die auch der anwesende Komponist genießen durfte) waren aber letztlich wohl eher dem überbordenden, bis in „rockige“Bereiche vorstoßenden Energiestrom dieser vier Concerti zu verdanken, der unverkennbar aus den Quellen der originären Bach’schen Musik gespeist wurde.
Letztere gab es im ersten Programmteil zu hören. Im d-MollKonzert spielte Knauer gewohnt virtuos in transparentem Non-Legato, bekannte sich aber zugleich deutlich zu allen dynamischen Möglichkeiten des modernen Konzertflügels. Beim 5. Brandenburgischen Konzert nahm er sich im Verein mit den Solisten Gabriel Adorján (Violine) und Massimo Mercelli (Flöte) kammermusikalisch zurück, die berühmte Cembalo-Kadenz im ersten Satz entfachte aber auch hier einen auf- und abwogenden Sturm mit Donner und Blitz. Höhepunkt das Adagio: drei Instrumente, drei großartige Musiker in innigem Gespräch, ruhig fließend, weltvergessen, Bach pur.