Vom Genie zum Sonderling
Zehrers Roman über William James Sidis
„Während meines neunjährigen Eingewecktseins an einem Augsburger Realgymnasium gelang es mir nicht, meine Lehrer wesentlich zu fördern.“Was Bert Brecht über seine Schulzeit schrieb, hätte auch William James Sidis unterschreiben können. Der „Held“in Klaus Cäsar Zehrers Debütroman „Das Genie“hat die Schulzeit regelrecht durchlitten. Nicht, weil er über-, sondern unterfordert war. Denn William James war von seinen Eltern regelrecht zu einem Genie herangezüchtet worden. Schon im Grundschulalter beherrscht Billy mehrere Sprachen und lässt in Mathematik die Lehrer alt aussehen. Doch der Überflieger stößt mit seiner ge- schwätzigen Bes- serwisserei seine Mitmenschen vor den Kopf. Billy ist kreuzunglücklich. Lieber wäre er ein ganz normaler Mensch als ein Genie.
Der aus dem bayerischen Schwabach stammende Autor Zehrer hat diese unglaubliche Lebensgeschichte nicht erfunden, sondern aus einem großen Literaturfundus über William James Sidis und seinen Vater Boris geschöpft. Daraus hat er einen außergewöhnlichen Roman destilliert – so wie im Übrigen bereits der Däne Morten Brask, dessen Roman „Das perfekte Leben des William Sidis“Anfang des Jahres erschien. Der Aufstieg von Boris Sidis vom zerlumpten Einwanderer zum gefeierten Psychologen ist bei Zehrer allerdings spannender zu lesen als der Niedergang seines Sohnes vom bewunderten Genie zum mittellosen Sonderling. Lilo Solcher