Nicht nur ein Muss für Geschichtsfans
Gundolf Hunners „Luther – Rebell Gottes“feiert Premiere in Neuburg. Hofkirche als Kulisse beeindruckte. Warum das Stück auch sonst stark begeistert
Neuburg Martin Luther, der große Reformator, ist 500 Jahre nach seinem Thesenanschlag an der Kirchentür von Wittenberg in aller Munde. Was für ein Mensch war er? Und warum war es ihm möglich, die Geschichte Europas so nachhaltig zu beeinflussen? Antworten auf diese und ähnliche Fragen gibt die Theateraufführung „Luther – Rebell Gottes“, die als Begleitveranstaltung zur Ausstellung „Fürstenmacht und wahrer Glaube“in Neuburg beeindruckend Premiere feierte und noch drei Mal in der Hofkirche zu sehen sein wird.
Regisseur Gundolf Hunner hat für die Hauptakteure und Gruppen von Mönchen, Marktleuten und Bauern vorwiegend Schauspieler aus den Laienensembles von Mimenfeld und Rampenfieber engagiert. Die Hauptperson Dr. Martin Luther verkörpert der Volksschauspieler und Sänger Georg Thaller.
Ganz nah am Publikum, direkt vor den Bänken, wurde eine Bühne aufgebaut – gespielt wird allerdings überall: Im Gang, im Eingangsbereich und für eindringliche Predigten des Franziskanermönchs Luther auch auf der Kanzel. Eine bessere Kulisse ist nicht vorstellbar: Der gewaltige Hochaltar ist in goldenes Licht getaucht. Wenn es aber die Dramaturgie erfordert, dann ist es wieder stockdunkel in der Kirche – nur das rote Glühen des Ewigen Lichts ist zu sehen. Und es ist so still, dass man eine Nadel fallen hören könnte.
Das zweieinhalb Stunden dauernde Stück ist eine Folge von Szenen auf verschiedenen Schauplätzen: Wittenberg, Rom, Worms, Kloster, Marktplatz und Kirche. Dazwischen füllt Musik aus der Zeit Luthers die kurzen Pausen, Martin Beck an der Orgel greift die Stimmungen auf und überbrückt gekonnt kleine Umbaupausen.
Mit Dunkelheit und Getöse beginnt das Stück, als Luther entscheidet, Mönch zu werden und den Vater (stark: Wolfgang Köhler) damit brüskiert. Auf die Entscheidung folgen die Selbstzweifel: „Ich ersticke an meiner Sündhaftigkeit“. Doch Generalvikar Staupitz holt den Bi- nach Wittenberg. Hans Hüttinger verkörpert sicher und routiniert die Rolle des väterlichen Freunds und Gönners, der später jedoch den Abstand sucht. In Wittenberg wiegelt der Ablassprediger Tetzel das Volk auf. Es ist eine der eindrucksvollsten Szenen des Stücks, wenn der Dominikanermönch (Dennis Helbig) zuerst das schlechte Gewissen der Gläubigen weckt und ihnen dann den Ablass andreht, damit „die Seele aus dem Fegefeuer springt“.
Ab diesem Zeitpunkt beginnt Weltgeschichte: Thesenanschlag, Hetzpredigten, Dekrete, Tumulte und schließlich die Reichsacht durch den Kaiser. Doch Luther bleibt konsequent. „Über allem steht das Wort“predigt er und nimmt den Bann in Kauf. Papst Leo – mit wenig Pathos, eher dandyhaft in Samt und Pelzchen witzig dargestellt von Uwe Pojda – studiert in Rom die Pläne für den Petersdom, während er vom gestrengen Kardinal Cajetan (Norbert Mages) über die Gefahr der schwindenden Einnahmen informiert wird. Luther jedoch verbrennt die päpstliche Bulle, mit der ihm das Wort verboten werden soll. Während der Adel – viel edles Gewand und Pomp um Kaiser Karl V. (Alexander Oswald) – noch berät, rotten sich die Bauern um den wütenden Bauernführer Münzer (Walter Ackermann) zusammen und fordern ihre Freiheit. Aufruhr, Blutvergießen, Mord und Krieg im Namen der Religion sind die Folge. Verzweiflung und Hilflosigkeit steht Luther ins Gesicht geschrieben, als er ein letztes Mal von der Kanzel predigt. Er kann den Lauf der Geschichte nicht stoppen. Resigniert sitzt er am Ende im Lehnstuhl und blickt zurück: „Das Schönste waren die Lieder, das Größte die Bibel.“
Gundolf Hunner und seine 35 Schauspieler starke Truppe haben es verstanden, in zweieinhalb Stunbelversteher den ein zeitgeschichtliches Bild des Reformators und seiner Umgebung zu zeigen, das enorm beeindruckte. Ansprechende Optik, musikalische Begleitung, fließende Übergänge waren geeignet, die Spannung über das ganze Stück hinweg aufrecht zu halten. In der von starken Gefühlen bestimmten Rolle des Luther brilliert nicht nur der Volksschauspieler, auch der Tenor Georg Thaller. Die Idee, den Klerus auf verweltlichte, geldgierige Kleiderständer zu reduzieren, bringt Heiterkeit in das Stück. Einzig die Frisurvarianten des Luther verdienen Kritik: Haarkranz, Strubbelbart und Mützenmähne erinnern an Improvisiertes von der Straße. Für Menschen, die sich für Geschichte und Religion interessieren, ist das Stück ein Muss. ⓘ
Termine Weitere Aufführungen folgen am Donnerstag, 21., Freitag, 22., und Samstag, 23. September, immer um 20 Uhr in der Hofkirche.