Wann wird eine Schneise im Wald zum Weg?
Justiz Auch bei der Güteverhandlung im Aichacher Amtsgericht wird gestern die Mutter aller Fragen zum Streit zwischen Waldbesitzern und Mountainbikern nicht geklärt: Welche Wege sind für Radler geeignet und welche nicht und warum?
Aichach Ein Richter muss sich mit Gesetzen und deren Auslegung auskennen. Detailkenntnisse über Waldbewirtschaftung, speziell über den Unterschied zwischen befahrbaren, weil befestigten Rückewegen und unbefahrbaren, weil selten bewirtschafteten und nicht befestigten Rückegassen gehören jetzt nicht unbedingt zum Anforderungsprofil eines Juristen. Oder anders: Wann wird eine Schneise zur Forstbewirtschaftung im Wald zum Weg und darf damit von Mountainbikern befahren werden? Axel Hellriegel tauchte in der gut einstündigen Verhandlung gestern dennoch ganz tief ein in eine Streitmaterie, die am Aichacher Zivilgericht ausgefochten wurde und überregional für große Aufmerksamkeit sorgte. Die erste Reihe im größten Sitzungssaal am Schlossplatz war für die Pressevertreter reserviert, alle anderen Stühle waren besetzt mit Zuhörern – vor allem von Radlern.
Die wollten zum einen ihrem Mountainbike-Kameraden moralisch den Rücken stärken, der als Beklagter vorn saß. Zum anderen wollten sie schon aus Eigeninteresse wissen, auf welchen Wegen im Wald sie fahren dürfen, ohne Ärger zu bekommen. Diese Streitfrage treibt nicht nur die Sportler, Waldbesitzer, Förster, Jäger und Naturschützer in der Region um, sondern wird eigentlich überall gestellt, wenn die Interessen von Freizeitnutzung, Waldbewirtschaftung und Naturschutz aufeinandertreffen. Doch hier wird besonders intensiv gestritten und diskutiert, seit eine im Dezember gefundene Nagelfalle im Kühbacher Forst die Sache auf die Spitze trieb (siehe Infoartikel).
Eine Antwort auf die Frage brachte aber auch der Gütetermin gestern nicht. Kläger Umberto von Beck-Peccoz, Eigentümer des Schlossguts Kühbach und einer der größten Privatwaldbesitzer im Wittelsbacher Land, betonte nach dem Termin, dass es ihm auch überhaupt nicht darum gehe, eine allgemeingültige, rechtliche Klärung des Wegestreits herbeizuführen. Er strebe eine Entscheidung für seinen Wald an. Der von ihm beklagte 51-jährige Aichacher sei auch kein „Radlrowdy“. Aber er sei eben auf einem von seiner Fortverwaltung im Einvernehmen mit dem Landratsamt gesperrten Weg unterwegs gewesen. Und dieser Weg sei nicht befestigt und nicht befahrbar, so BeckPeccoz, der sich als Jurist selbst vor Gericht vertrat.
Richter Hellriegel stieß in der Verhandlung auf viele Ungereimtheiten. Er machte Beck-Peccoz klar, dass seine Klage, zumindest so wie sie bisher formuliert ist, wenig Aussicht auf Erfolg hat. Sie sei zu unkonkret. Er müsse haargenau auflis-
welche Strecken, Gassen, Pfade im Kühbacher Forst von Radlern nicht befahren werden dürfen. All diese „Wege“müsste der Richter dann bei einem Ortstermin besichtigen und darüber einzeln entscheiden. Womit wir wieder am Anfang unserer Geschichte und damit sozusagen bei der Mutter aller Fragen sind: Welche Wege im Wald sind geeignet für Radler und welche nicht. Mit der Festlegung „befes-
tigt“, also ausgebaut mit Kies, wollte sich Hellriegel, nicht zufriedengeben. Auch durch die Widmung eines Eigentümers könne ein Weg nicht als unbefahrbar erklärt werden. Sonst könnten Waldbesitzer faktisch ja jeden Weg für Radler so sperren. Das widerspreche dem Naturschutzgesetz und der Bayerischen Verfassung. Auf der anderen Seite machte der Richter dem Beklagten klar, dass eine Schneise für die Beten,
wirtschaftung eines Waldes kein befahrbarer Weg ist.
Wie geht es jetzt weiter? Die beiden Parteien vereinbarten im Gütetermin, dass sie versuchen wollen, in den nächsten Wochen einen Kompromiss zu finden. Beck-Peccoz will jetzt eine Karte anfertigen mit den nicht befahrbaren „Rückewegen“in seinem Wald, die von der Forstverwaltung mit Schildern gesperrt worden sind. Wenn der beklagte Radler
darauf eingeht, diese „Wege“nicht mehr zu nutzen, würde zumindest der Kühbacher Radlerstreit enden. Für eine generelle Antwort auf die Streitfrage müssen aber nach Stand der Dinge noch viele Juristen strampeln und die Radler warten.
»Kommentar
und Titelseite im Mantelteil. Auf der Seite 13 Bayern lesen Sie über den Konflikt zwischen Mountainbikern und Waldbesitzern.