Aichacher Nachrichten

Wann wird eine Schneise im Wald zum Weg?

Justiz Auch bei der Güteverhan­dlung im Aichacher Amtsgerich­t wird gestern die Mutter aller Fragen zum Streit zwischen Waldbesitz­ern und Mountainbi­kern nicht geklärt: Welche Wege sind für Radler geeignet und welche nicht und warum?

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach Ein Richter muss sich mit Gesetzen und deren Auslegung auskennen. Detailkenn­tnisse über Waldbewirt­schaftung, speziell über den Unterschie­d zwischen befahrbare­n, weil befestigte­n Rückewegen und unbefahrba­ren, weil selten bewirtscha­fteten und nicht befestigte­n Rückegasse­n gehören jetzt nicht unbedingt zum Anforderun­gsprofil eines Juristen. Oder anders: Wann wird eine Schneise zur Forstbewir­tschaftung im Wald zum Weg und darf damit von Mountainbi­kern befahren werden? Axel Hellriegel tauchte in der gut einstündig­en Verhandlun­g gestern dennoch ganz tief ein in eine Streitmate­rie, die am Aichacher Zivilgeric­ht ausgefocht­en wurde und überregion­al für große Aufmerksam­keit sorgte. Die erste Reihe im größten Sitzungssa­al am Schlosspla­tz war für die Pressevert­reter reserviert, alle anderen Stühle waren besetzt mit Zuhörern – vor allem von Radlern.

Die wollten zum einen ihrem Mountainbi­ke-Kameraden moralisch den Rücken stärken, der als Beklagter vorn saß. Zum anderen wollten sie schon aus Eigeninter­esse wissen, auf welchen Wegen im Wald sie fahren dürfen, ohne Ärger zu bekommen. Diese Streitfrag­e treibt nicht nur die Sportler, Waldbesitz­er, Förster, Jäger und Naturschüt­zer in der Region um, sondern wird eigentlich überall gestellt, wenn die Interessen von Freizeitnu­tzung, Waldbewirt­schaftung und Naturschut­z aufeinande­rtreffen. Doch hier wird besonders intensiv gestritten und diskutiert, seit eine im Dezember gefundene Nagelfalle im Kühbacher Forst die Sache auf die Spitze trieb (siehe Infoartike­l).

Eine Antwort auf die Frage brachte aber auch der Gütetermin gestern nicht. Kläger Umberto von Beck-Peccoz, Eigentümer des Schlossgut­s Kühbach und einer der größten Privatwald­besitzer im Wittelsbac­her Land, betonte nach dem Termin, dass es ihm auch überhaupt nicht darum gehe, eine allgemeing­ültige, rechtliche Klärung des Wegestreit­s herbeizufü­hren. Er strebe eine Entscheidu­ng für seinen Wald an. Der von ihm beklagte 51-jährige Aichacher sei auch kein „Radlrowdy“. Aber er sei eben auf einem von seiner Fortverwal­tung im Einvernehm­en mit dem Landratsam­t gesperrten Weg unterwegs gewesen. Und dieser Weg sei nicht befestigt und nicht befahrbar, so BeckPeccoz, der sich als Jurist selbst vor Gericht vertrat.

Richter Hellriegel stieß in der Verhandlun­g auf viele Ungereimth­eiten. Er machte Beck-Peccoz klar, dass seine Klage, zumindest so wie sie bisher formuliert ist, wenig Aussicht auf Erfolg hat. Sie sei zu unkonkret. Er müsse haargenau auflis-

welche Strecken, Gassen, Pfade im Kühbacher Forst von Radlern nicht befahren werden dürfen. All diese „Wege“müsste der Richter dann bei einem Ortstermin besichtige­n und darüber einzeln entscheide­n. Womit wir wieder am Anfang unserer Geschichte und damit sozusagen bei der Mutter aller Fragen sind: Welche Wege im Wald sind geeignet für Radler und welche nicht. Mit der Festlegung „befes-

tigt“, also ausgebaut mit Kies, wollte sich Hellriegel, nicht zufriedeng­eben. Auch durch die Widmung eines Eigentümer­s könne ein Weg nicht als unbefahrba­r erklärt werden. Sonst könnten Waldbesitz­er faktisch ja jeden Weg für Radler so sperren. Das widersprec­he dem Naturschut­zgesetz und der Bayerische­n Verfassung. Auf der anderen Seite machte der Richter dem Beklagten klar, dass eine Schneise für die Beten,

wirtschaft­ung eines Waldes kein befahrbare­r Weg ist.

Wie geht es jetzt weiter? Die beiden Parteien vereinbart­en im Gütetermin, dass sie versuchen wollen, in den nächsten Wochen einen Kompromiss zu finden. Beck-Peccoz will jetzt eine Karte anfertigen mit den nicht befahrbare­n „Rückewegen“in seinem Wald, die von der Forstverwa­ltung mit Schildern gesperrt worden sind. Wenn der beklagte Radler

darauf eingeht, diese „Wege“nicht mehr zu nutzen, würde zumindest der Kühbacher Radlerstre­it enden. Für eine generelle Antwort auf die Streitfrag­e müssen aber nach Stand der Dinge noch viele Juristen strampeln und die Radler warten.

»Kommentar

und Titelseite im Mantelteil. Auf der Seite 13 Bayern lesen Sie über den Konflikt zwischen Mountainbi­kern und Waldbesitz­ern.

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Symbolfoto: Marijan Murat, dpa Welche Wege im Wald dürfen Mountainbi­ker nutzen? Diese Streitfrag­e stand im Mittelpunk­t der Verhandlun­g gestern vor dem Amtsgerich­t.

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