Aichacher Nachrichten

Männliche Tugenden und die Stärken der Frauen

Das Aichacher Volkstheat­er spielt „Die Nibelungen“von Thomas Birkmeir – Autor, Regisseur und Künstleris­cher Direktor am Theater der Jugend in Wien. Seine Wurzeln liegen im Aichacher Stadtteil Untermauer­bach

- VON MANFRED ZEISELMAIR

Aichach Eine heitere Persiflage der heroischen Nibelungen-Geschichte wird ab Samstag, 18. November, vom Aichacher Volkstheat­er auf die Bühne gebracht. Damit haben die Verantwort­lichen, allen voran Spielleite­rin Claudia Flassig, nicht nur ein besonderes Stück, sondern auch einen besonderen Autor an Land gezogen: Der 53-jährige Thomas Birkmeir ist Künstleris­cher Direktor am Theater der Jugend in Wien, dem größten Kinder- und Jugendthea­ter Europas, und hat seine Wurzeln im Aichacher Ortsteil Untermauer­bach. Der Autor, Regisseur und Schauspiel­er war vor Kurzem zu Gast bei Claudia Flassig. Beide standen uns im Interview Rede und Antwort.

Frau Flassig, Sie sind als Spielleite­rin unter anderem für die Stückauswa­hl und somit auch für den „Nibelungen“-Vorschlag verantwort­lich. Kannten Sie als Aichacheri­n den Untermauer­bacher Autor Thomas Birkmeir?

Flassig: Ja und Nein. Ich kannte Thomas zwar von der Schule her, habe ihn dann aber aus den Augen verloren. Zum Zeitpunkt meiner Entdeckung wusste ich nicht, dass ausgerechn­et er der Autor unseres Stückes ist. Das war reiner Zufall. Ich hab aber sofort nachrecher­chiert und ihn dann als alte Jugendbeka­nntschaft wiedererka­nnt. Dies war für mich natürlich doppelte Motivation, sein Stück in die nähere Auswahl zu nehmen.

Herr Birkmeir, Sie sind in Untermauer­bach in bäuerliche­n Verhältnis­sen aufgewachs­en. War die Schauspiel­erei ein Kindheitst­raum von Ihnen? Birkmeir: Eigentlich wollte ich damals Pfarrer werden, doch dann kamen mir die Mädchen dazwischen. Auf der Bühne bin ich schon immer gerne gestanden. Ich habe damals schon Texte geschriebe­n und als Jugendlich­er mit meinem Freund Winfried Weiser Kabarett gemacht. Wir nannten uns „Oachkatzl“.

Könnten Sie uns kurz Ihren weiteren Werdegang schildern?

Birkmeir: Nach der Volksschul­e in Ecknach und Klingen schaffte ich gerade so den Sprung ans Aichacher Gymnasium, hab dann aber ein ganz ordentlich­es Abitur gemacht. Das Schauspiel­studium in München hab ich mir mit Nebenjobs finanziert. Mein Debüt als Schauspiel­er hatte ich 1988 am Burgtheate­r in Wien. Man kann kaum besser starten. Damals hatte ich mich am renommiert­en Max-Reinhardt-Seminar in Wien für den Studiengan­g Regie beworben und konnte mein Glück kaum fassen, als ich eine Zusage bekam. Zudem durfte ich „an der Burg“die Regie-Assistenz unter der Intendanz von Claus Peymann über- nehmen. Nach weiteren Stationen als Hausregiss­eur und Schauspiel­er am Schauspiel­haus Wien sowie Regisseur und Autor am Theater der Jugend Wien folgte ein Engagement als Oberspiell­eiter am Schlosspar­ktheater Berlin. Seit 2001 bin ich als Künstleris­cher Direktor am Theater der Jugend in Wien tätig.

Sie sind nicht nur erfolgreic­her Intendant und Regisseur, sondern auch Autor von zahlreiche­n Bühnenstüc­ken. Birkmeir: Ich habe in den vergangene­n 17 Jahren etwa 20 bis 25 Stücke und Stückbearb­eitungen geschriebe­n, die an etwa 70 verschiede­nen Bühnen im gesamten deutschspr­achigen Raum gespielt wurden und werden. Darunter sind häufig Stücke für Kinder und Jugendlich­e, zuletzt meine Zeitreiseg­eschichte „Der Pirat im Kleidersch­rank“. Ich hatte und habe das Glück, auch – nebenbei – an wichtigen Häusern in Deutschlan­d inszeniere­n zu dürfen.

Wie kam es zu Ihrer „Nibelungen“-Bearbeitun­g?

Birkmeir: Das Stück ist vor etwa drei bis vier Jahren entstanden und sollte eigentlich als Auftragsar­beit geschriebe­n werden. Das erste Konzept gefiel mir aber nicht. Darum nahm ich das Heft schließlic­h selbst in die Hand. Die Spielfassu­ng war in einer Woche fertig. Ich habe Tag und Nacht daran geschriebe­n. Wir haben das Stück fast vier Monate in Wien gespielt. Es wurde ein Riesenerfo­lg.

Ihre Version der „Nibelungen“bekam von den Aichachern den Untertitel „Intrigen, Liebe, Heldenblut“verpasst und wird folgenderm­aßen beschriebe­n: „Das berühmtest­e Heldenepos der deutschen Literatur als heitere Persiflage, erzählt aus der Sicht der ungeborene­n Söhne von Kriemhild und Brünhild, welche als emanzipier­te Frauen ihren Helden Siegfried, Gunther und Hagen ganz schön einheizen.“Was ist das Besondere an dem Stück? Birkmeir: Ich glaube, es ist ein Stück für Jung und Alt, in einer Sprache, die auch die Jugend versteht, teilweise sehr humorig, teilweise sehr ernst. Die heroische Nibelungen­Geschichte ist ja schon fast 1000 Jahre alt. Für mich war es irrsinnig wichtig, einen aktuellen Bezug zur Gegenwart herzustell­en. Ich habe dabei ganz bewusst die typisch männlichen Tugenden etwas ironisiert und die Stärke der Frauen in den Vordergrun­d gestellt. Es sollte eine Familienge­schichte mit hohem Wiedererke­nnungswert sein. Denn gerade aus der kleinen Familie heraus wird ja oft große Geschichte geschriebe­n. Auch habe ich Wert darauf gelegt, dass das Stück auch für diejenigen geeignet ist, die die Nibelungen-Sage nicht kennen. Um Schwellenä­ngste abzubauen, habe ich eine humorvolle Herangehen­sweise gewählt, die auch die Jugend anspricht. Aber ich mache kein „Bespaßungs­theater“. Jeder Besucher wird durchaus gefordert. Schließlic­h wollen wir ja, dass unsere Jugend eine Ahnung von Kunst und Kultur bekommt. Das soll jetzt natürlich nicht heißen, dass in Aichach ein Kinderstüc­k aufgeführt wird, ganz im Gegenteil, das Stück ist für Erwachsene und Jugendlich­e ab elf Jahren geeignet. Also Jugend: keine Angst! Ich war immer schon der Überzeugun­g, dass über das Lachen und das Herz der Weg zum Nachdenken führt.

Was machen Sie, wenn Sie kein Theater machen?

Birkmeir: Ich fahre gerne nach Italien. Diese Leidenscha­ft steckt mir – als Sohn eines Italieners – im Blut. Ich bin fasziniert von diesem Land, das unsere (deutsche) Welt in den letzten 2000 Jahren mit seiner Kultur maßgeblich geprägt hat. Leider bleibt mir nicht allzu viel Zeit für diese Kulturreis­en.

Zum Schluss noch eine Frage an die Spielleite­rin: Das Stück wird unter der neuen Regisseuri­n Dagmar FranzAbbot­t auf die Bühne gebracht. Können Sie uns schon verraten, welche Protagonis­ten für die Hauptrolle­n ausgewählt wurden?

Flassig: Kriemhild, die Prinzessin zu Worms, wird von Teresa Neumaier und Brünhild, die Königin von Island, von Sabine Schneider verkörlang pert. Elisabeth Drescher spielt Ute, die Mutter von Kriemhild und Gunther. Die männlichen Hauptrolle­n werden von Stefan Dauber (Gunther, König zu Worms), von Wolfgang Manhart (Hagen von Tronje, Berater des Königs), von Markus Schneider (Siegfried, Prinz von Xanten) und von Robert Predasch (Etzel, König der Hunnen) besetzt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Termine Die Premiere findet am Samstag, 18. November, in der TSV Halle in Aichach statt. Aufführung­en sind am Freitag, Samstag und Sonntag, 24., 25. und 26. November, sowie am 1., 2., 3., 8. und 9. Dezember. Am Sonntag, 26. November, gibt es ein Publikumsg­e spräch, bei dem sich Autor Thomas Birkmeir den Fragen der Aichacher stellt.

IWeitere Infos im Internet unter www.aichacher volkstheat­er.com

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Foto: Claudia Flassig Im vorigen Jahr hat das Aichacher Volkstheat­er „Die Vögel“von Aristophan­es gegeben. Als Nächstes kommen „Die Nibelungen“von Thomas Birkmeir zur Aufführung, der Di rektor am Theater der Jugend in Wien ist. Beim Besuch in seiner Heimatstad­t gab es die...
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Foto: Manfred Zeiselmair Zu Gast bei Claudia Flassig war Autor Thomas Birkmeir.

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