Otto, der Unverwüstliche
Otto Waalkes tritt mit seinem neuen Programm in der Schwabenhalle auf. Sein Humor funktioniert noch immer und über Generationen hinweg. Dass man viele seiner Witze schon kennt, macht dabei nichts
Im Buch der Friesen steht geschrieben: Der Friese trinkt wenig, aber dafür oft, und dann viel. Warum dem Schreiber dieser Zeilen ausgerechnet dieser Witz aus dem Film „Otto – der Außerfriesische“zum Einstieg einfällt? Keine Ahnung. Vielleicht, weil das nun mal eine Eigenschaft von Ottos Humor ist: Man merkt sich die Pointen, und sei es Jahrzehnte her, dass man sie gehört hat. Der Witz taucht im neuen Programm von Otto Waalkes, das „Holdrio Again“heißt, übrigens nicht auf. Er könnte es aber, so wie nahezu jeder Witz von Otto, den man nicht Waalkes nennen muss, weil sowieso jeder weiß, wer gemeint ist, dort auftauchen könnte.
Die Zuschauer, hat Otto mal in einem Interview gesagt, hätten Lust auf Wiedererkennung. Das stimmt wohl, wie sich an seinem Auftritt am Donnerstagabend in der Schwaben- zeigte, wo er größtenteils Variationen von Altbekanntem darbot. Im Publikum: Pärchen Mitte 20, Jugendliche, Senioren, Eltern mit ihren Kindern.
Menschen aller Altersgruppen also, die einen gelungenen Abend erlebten. Denn ja: Ottos Witze ziehen noch, ob man sie so oder so ähnlich schon kennt oder nicht. Vielleicht hilft es, sie eine Weile nicht gehört zu haben, aber sie sitzen meist. Als Otto seine „Hänsel und Gretel“- Lieder ankündigt, johlen die Leute schon, bevor er anfängt, sie zu singen. Er spielt neue Versionen, verwurstet unter anderem „Wenn sie tanzt“von Max Giesinger.
Überhaupt ist alles noch da, was Otto schon früher ausgemacht hat: Die Einleitungen zu Liedern etwa, die dann mit den Songs rein gar nichts zu tun haben. Die absurden Reime, die er einst mit Autoren wie Robert Gernhardt ersann: „Macht die Frau beim Schaffen schlapp, wie lang ist ein Giraffengrab“und so weiter. Die Geschichten, die er erzählt, und bei denen er das Publikum einbindet, so wie er überhaupt das Publikum permanent einbindet, es mitsingen und klatschen lässt. Irgendwann läuft auf der Leinwand hinter ihm ein kurzes Video, in dem Otto, als Zwerg verkleidet, vor der Jury von „Deutschland sucht den Superstar“eine besonders grässliche Version von Heintjes ohnehin schon grässlichem Lied „Mama“singt. Dass gerade die ganz Jungen im Publikum nur schwer wissen können, wer Heintje ist, ändert nichts daran, dass sie lachen, dass alle lachen.
Ottos Humor funktioniert generationenübergreifend und scheint so unverwüstlich zu sein wie Otto selbst, der mittlerweile fast 70 ist. Er zappelt nicht mehr so viel über die Bühne wie früher, und seine Stimme ist auch nicht mehr so klar, aber er kann immer noch erstaunliche Dinhalle ge damit anstellen. Ein begabter Musiker ist er ohnehin. Im Laufe des Abends spielt er etwa ein halbes Dutzend Instrumente, und er beherrscht jedes Einzelne mit einer Mühelosigkeit, die fast nicht auffällt, weil es darum ja gar nicht geht.
Nicht jeder Witz zündet. Die neueste Version von „Englisch für Fortgeschrittene“wirkt zum Beispiel ausgelutscht. Manches ist einfach platt, etwa, wenn Otto zum Anfang seines Programms einige Orte aus der Region mit zwei weißen Fahnen darstellt. Im Fall von „Langweid“hält er sich die Fahnen vor den Schritt. Ha, ha: Langweid! Ist aber auch egal. Wenn einem eine Pointe nicht gefällt, dauert es nicht lange bis zur nächsten, bei der es dann anders ist. Es gibt ein Puppentheater mit Sid, dem Faultier, das Otto in den „Ice Age“-Filmen synchronisiert. Eine Persiflage auf die „Check 24“-Werbung. Immer wieder Songs, die Otto abgeändert singt oder singen lässt. Es geht Schlag auf Schlag.
Vor der Pause verteilt Otto Ottifanten-Plüschtiere an Kinder und holt einen Jungen auf die Bühne, der dann in der Pause gleich jemanden, vermutlich die Mama, anrufen muss, um zu erzählen, was er gerade Tolles erlebt hat. „Wenn es Ihnen gefallen hat: Ich bin Otto Waalkes“, sagt Otto zum Schluss. „Wenn nicht: Howard Carpendale.“
Otto hätte sich längst zur Ruhe setzen können, Erfolg hatte er ja wahrlich genug. Es wirkt allerdings nicht so, als machte es ihm weniger Spaß als vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren, Menschen zum Lachen zu bringen. Dass er sich wiederholt, nicht hochpolitisch oder allzu tiefgründig ist? Geschenkt. Es gibt Schlimmeres, als Leute zwei Stunden gekonnt mit Nonsens zu unterhalten.
Steht nicht im Buch der Friesen, stimmt aber trotzdem.