Wer spielt da die Schüchterne?
Beim Theaterfest hat Jihyun Cecilia Lee mit einer Partie aus dem „Freischütz“gefallen. Eine schöne Stimme und eine mutige Entscheidung stehen am Anfang ihres musikalischen Wegs
Der Intendantenwechsel am Theater Augsburg hat nicht nur an der Spitze des Hauses, sondern auch im Ensemble für Wechsel gesorgt. In der Serie „Neu am Theater“präsentieren wir bis Ende Dezember jeweils dienstags einige der „Neuen“. Heute setzen wir die Serie mit Jihyun Cecilia Lee, der neuen Sopranistin am Theater, fort. Im roten Kleid, ein verschmitztes Lächeln – so tritt Jihyun Cecilia Lee das erste Mal vor ihr neues Publikum. Die Sängerin gibt eine Kostprobe auf die erste Opernpremiere „Freischütz“am 1. Oktober. Ihr Ännchen ist eine Schüchterne. So war das bei „Auftakt – Die Spielzeitshow“am Sonntag im Martinipark. Im Gespräch ist die Südkoreanerin allerdings das Gegenteil.
Die 28-Jährige ist in Augsburg ihr erstes festes Engagement als Sängerin eingegangen. Ihrer ersten Partie sah sie am Anfang eher skeptisch entgegen. „Ich dachte mir, dass das eine Soubretten-Partie ist“, erzählt sie, also eine Rolle für Sängerinnen mit einer höheren, leichteren Stimme. Dann wurde ihr gesagt, dass die Rolle früher von Sängerinnen mit lyrischem Sopran gesungen wurde. „Jetzt liebe ich das Ännchen“, sagt sie. Das Publikum applaudierte ihr nach der Kostprobe schon einmal lang.
Der Weg, den Lee in den vergangenen Jahren genommen hat, klingt wie ein kleines Märchen. Aufgewachsen ist sie mit ihrer drei Jahre jüngeren Schwester im Großraum der Millionenmetropole Seoul. Mit
17 Jahren kam ihr die Idee, das Singen professionell anzugehen – einfach weil sie eine gute, eine schöne
Stimme hatte. Niemand in ihrer Familie hatte sich bislang für einen solchen künstlerischen Beruf entschieden. Erst hat Lee in Südkorea studiert, dann reifte dort der Wunsch, in Deutschland Gesang weiterzustudieren. „Ich hatte eine Korrepetitorin, die in Mannheim bei Professor Rudolf Piernay studiert hat“, erzählt Lee. Und die Korrepetitorin war in Südkorea so voll des Lobs, dass Lee auch in Mannheim studierte – ebenfalls bei Professor Piernay.
Seit fünf Jahren lebt Lee nun in Deutschland, 8500 Kilometer von der Heimat entfernt. Wenn sie mit ihren Eltern telefonieren will, muss sie sieben Stunden Zeitverschiebung einrechnen. Nur zwei Mal war sie bislang wieder in ihrer Heimat. „In den Ferien, wenn ich die Möglich- keit zum Reisen gehabt hätte, habe ich mich immer für Meisterkurse entschieden“, sagt Lee.
Deutschland habe sie vor ihrem Studium nur von einem ziemlich intensiven Europaurlaub her gekannt – in drei Wochen mit der Bahn kreuz und quer über den Kontinent. Sie hat sehr viel gesehen in diesen Tagen und dabei sehr wenig geschlafen. „In Deutschland habe ich mich einfach wohlgefühlt, mit den Menschen, den Straßen, den Städten.“Nur eines hat nicht so funktioniert, wie sie sich das anfangs gedacht hat. Der dreimonatige Sprachkurs in Südkorea als Vorbereitung hat ihr nicht so viel gebracht, wie sie es sich gewünscht hatte. „Ich habe nur sehr wenig verstanden.“Also besuchte sie parallel zu ihrem Studium auch noch einen begleitenden Sprachkurs.
Ein Jahr lang konnte Lee als Mitglied des Opernstudios der Mailänder Scala in Italien studieren und singen. Kurzerhand hatte sie sich zu einem Vorsingen dort entschlossen und den Zuschlag bekommen. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie mich nehmen“, sagt sie. Sie war auf dieses Jahr im Ausland nicht vorbereitet, musste sich schnell noch ein Zimmer suchen und in Italien erst einmal die Sprache lernen. Heute profitiert sie davon. „Ich singe das italienische Repertoire jetzt anders, besser.“
Nun fühlt sie sich an dieses Jahr in Italien wieder erinnert. Bayern liege näher am Süden, die Menschen erinnern sie schon ein wenig an Italien. In der Nähe des Lechs in der Jakobervorstadt hat sie eine Wohnung gefunden und sich gleich gut eingelebt. Ein Fremdeln? Das Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit? Nicht bei Jihyun Cecilia Lee. „Das Ensemble hat mich so nett aufgenommen.“Die Stadt gefalle ihr. Sie fühle sich wohl. Eine Umgewöhnung seien die neuen Arbeitszeiten gewesen. Proben am Vormittag, Proben am späteren Abend und dazwischen eine lange Pause. Auch damit hat sie sich mittlerweile arrangiert.
Ihre Eltern können zu ihrer ersten Premiere in Augsburg, dem „Freischütz“am 1. Oktober im Martinipark, nicht kommen. Sie glaubt aber, dass es irgendwann in der Spielzeit klappen müsste. In der Zwischenzeit wird mit dem Smartphone und über das Internet kommuniziert – in Ton und Bild. „Das macht die Entfernung erträglich“, sagt Lee. Vielleicht gelingt es ihr ja in der Spielzeitpause im nächsten Sommer, in die Heimat zu reisen, vielleicht steht dann aber auch wieder ein Meisterkurs an.