Katholischer Hochwürden im Luthergewand
Oettingens Stadtpfarrer Ulrich Manz spielt in einem Historienspiel den berühmten Reformator
Oettingen Wenn Oettingens katholischer Stadtpfarrer Ulrich Manz im schwarzen Gelehrtentalar als Luther auf der Bühne steht, sind sämtliche Wirrungen im Historienspiel „Gnade vor Recht? Glaube, Krieg und Liebe im Jahre 1704 in Oettingen“perfektioniert. Normalerweise hat ihn sein Traumberuf morgens bis abends fest im Griff. Er ist Seelsorger, bringt Schülern die katholische Religionslehre nahe, erledigt Hausbesuche, dazu kommen Beerdigungen und die Messen – in Oettingen erledigt er in der Pfarrei St. Sebastian so gut wie alles selbst.
Dass Pfarrer Manz jetzt sein beiges Gewand und seine Stola gegen schwarzen Talar und Kappe trotz vollen Kalenders tauscht, bestätigt die funktionierende Ökumene der Residenzstadt heute und eine Freundschaft unter Pfarrern. Eine ganze Stadt tauscht für zwei Abende die Konfessionen, freilich nicht jeder Bürger, aber zumindest sämtliche Vertreter.
Die heutige Ökumene steht in Kontrast zum damaligen konfessionell streng getrennten Oettingen. Auch die jungen Protagonisten schlüpfen in das jeweils andere christliche Bekenntnis. Das Historienspiel spielt zur Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs. Es zeigt eine Liebesgeschichte zwischen der katholischen Maria und dem evangelischen Diener Martin. Doch ihr Glaube scheint ihre Liebe unmöglich zu machen. Maria, gespielt von der evangelisch geprägten Nele Sandmeyer, und Martin, gespielt von Benedikt Saulich, der mit dem katholischen Glauben aufgewachsen ist. Diese Liebesgeschichte ist dem Kreisheimatpfleger Herbert Dettweiler zufolge nichts Erfundenes: „Drei sogenannte Mischehen sind für 1704 verbrieft.“
Der katholische Stadtpfarrer Ulrich Manz mit Doktortitel in Glaubenslehre hegt große Sympathien für den Reformator Martin Luther. „Aber nur bis zum großen Krach“, sagt er. Und weil er findet, Luther dürfe im Reformationsjahr auch im Oettinger Historienspiel nicht fehlen, kommt eines zum anderen, und schließlich schlüpft er selbst ins Luthergewand. Manz meinte: „Ich bin zwar katholisch, aber ein bisschen Luther muss im Reformationsjahr schon sein.“Und weil er sich selbst für einen schlechten Schauspieler hält, singt er eben lieber. Das kann er, sonor hallt es dann bis unters Dach der St.-Jakobs-Kirche, und dafür braucht er auch nicht einmal ein Mikro; besser für denjenigen, der sich um die Technik kümmert: den evangelischen Stadtpfarrer Ulrich Tauber. Also singt der katholische Stadtpfarrer „Ein feste Burg ist unser Gott“, Text und Melodie von Martin Luther. Wie soll es auch anders sein.
Angezettelt hat das Spiel vor einem Jahr der evangelische Dekan Armin Diener. Er suchte nach Menschen in Oettingen, die sich engagieren möchten, da stand noch nicht einmal die Handlung des Stückes fest. „Szene für Szene ist es dann gewachsen“, erzählt Claudia Langer, die frühere Studiendirektorin des Oettinger Gymnasiums. Sie hat schließlich „Gnade vor Recht“mithilfe des Heimatpflegers und der Leiterin des Oettinger Heimatmuseums, Petra Ostenrieder, fertig geschrieben: zwei Akte, 26 Szenen, zweieinhalb Stunden Historienspiel der etwas anderen Art. Von allem ein bisschen: Komödie, Tragödie, Drama, Historie.
Bei einer Kostümprobe steht der Luther auf Zeit seitlich der Kirchenbänke. In Immenstadt aufgewachsen, die Schulzeit in Kempten verbracht, promoviert bei Kardinal Müller, stand für ihn der Beruf des Pfarrers bereits mit acht Jahren fest. Durch die Gläser seiner Brille verfolgt der 52-Jährige sämtliche Kabbeleien auf der Bühne. 1704 wäre Luther bereits 221 Jahre alt geworden. Wie die Rolle nun ins Historienspiel eingearbeitet wurde, bleibt bis Freitag ein wohlgehütetes Geheimnis der Schauspieler.
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Termine Die Aufführungen sind am Freitag, 29. September, und Montag, 2. Oktober, jeweils um 19 Uhr in der evange lischen St. Jakobskirche in Oettingen. Karten gibt es noch bei der Tourist Infor mation unter Telefon 09082/70952.