Jupps neue Mannschaft
Der 72-Jährige hat gestern mit der Arbeit beim FC Bayern begonnen. Heynckes soll der Truppe wieder Stabilität verleihen, ehe im Sommer ein anderer Trainer kommt. Was das alles mit seinem Schäferhund zu tun hat
München Die Haare sind grauer geworden, von ihrer Standhaftigkeit haben sie nichts eingebüßt, nach hinten gekämmt wie eine Mähne. Sein Gesicht ist faltenfrei geblieben, erholt sieht er aus, der Jupp. Trotz seiner 72 Jahre wirkt Heynckes voller Tatendrang, als er am Montagmittag im Pressekonferenzraum der Münchner Fußballarena vorgestellt wird. Wobei, vorstellen muss niemand mehr diesen Trainer, der mit dem FC Bayern 2013 das Triple geschafft und damit bisher Einmaliges geschaffen hat. Nun macht er sich daran, zum vierten Mal erfolgreich die Münchner Stars anzuleiten.
Bei Heynckes wissen die BayernVerantwortlichen, woran sie sind. Vorstandschef Rummenigge erzählt von den Gesprächen mit Heynckes und bekräftigt: „Wir haben das Feuer gespürt, das in ihm lodert.“Heynckes soll einiges zurechtrücken, was in den vergangenen Monaten, vielleicht sogar Jahren, in der unter Guardiola und Ancelotti, schief gelaufen ist. Sogar das „Mia san mia“, dieses bajuwarische Selbstverständnis, ist zuletzt abhandengekommen.
Der FC Bayern mag als Unternehmen eine Weltmarke darstellen, sportlich indes kam er mitunter wie eine Fälschung daher. Als steckte kein FC Bayern drin, wo FC Bayern draufstand. Es gehe jetzt darum, die Situation zu entkrampfen, zu entschleunigen, zu beruhigen, erklärt Heynckes. Und fügt hinzu: „Die Mannschaft kann nur Kraft aus der Ruhe schöpfen.“
Heynckes soll den FC Bayern befrieden, soll ihm Zeit verschaffen, ehe man im Sommer nächsten Jahres ein „neues Kapitel aufschlagen“und „die Zukunft gestalten“werde, wie es Präsident Uli Hoeneß ankündigt. Die Jahre des Verwaltens sollen vergangen sein, die des Gestaltens sollen kommen. Heynckes soll das Feld bereiten, ehe der Meister die Mannschaft einem Nachfolger übergibt. Einem jungen, deutschen Trainer, wie Heynckes schon jetzt den Bayern-Bossen empfiehlt. Einem wie etwa Hoffenheims Julian Nagelsmann. Die Frage, ob Thomas Tuchel noch ein Kandidat sei, lässt Hoeneß unbeantwortet – Rummenigge dagegen nicht. Der Vorstandsvorsitzende wollte ein zukünftiges Engagement des Krumbachers beim FC Bayern „nicht ausschließen“. Berichten zufolge hatten sich die Münchner nach der Trennung von Carlo Ancelotti auch mit Tuchel unterhalten. Rummenigge: „Wir haben uns nicht gegen Thomas Tuchel entschieden“, in der augenblicklichen Lage sei die Wahl aber auf den Bayern-Kenner Heynckes gefallen. Den uneitlen RheinZeit länder wiederum stört es nicht, dass bereits seine Nachfolge Thema ist. Ihn drängte es nicht in seine jetzige, alte Rolle. Angebote anderer europäischer Spitzenklubs schlug er zuletzt aus. Wenn er sagt: „Ich war sehr zufrieden mit meinem Leben und habe in den vier Jahren nichts vermisst“, klingt das überzeugend.
Er erzählt von Spaziergängen mit seinem Schäferhund Cando, von Musicalbesuchen mit seiner Frau Iris und von Treffen mit Freunden. Nochmals als Trainer auf dem Rasen zu arbeiten, danach strebte er nicht. Die gesamte Familie band Heynckes in seine Entscheidung ein, mit einem Schmunzeln sagt er, Cando hätte das letzte Wort gehabt. „Er hat zweimal gebellt.“
Warum Heynckes sein Rentnerdasein unterbricht? Er spricht von einem Freundschaftsdienst, den er dem FC Bayern, speziell Uli Hoeneß, erweise. Heynckes will den Verein im Sommer „besenrein“übergeben, wie er es nennt. Der Bayern-Patriarch deutet an, dass in jüngster Zeit Etliches öffentlich diskutiert wurde, was er lieber intern gehalten hätte: Kritik an der Asienreise, unzufriedene Profis, persönliche Befindlichkeiten, tiefe Gräben, dazu eine fehlende Spielidee und sportlicher Misserfolg. Dass Hoeneß und Rummenigge selbst gelegentlich uneins waren, bleibt unausgesprochen.
Heynckes’ dringlichste Aufgabe besteht darin, die Spieler zu einen und eine Hierarchie herzustellen. Dass diese nicht vorhanden scheint, zeigt, wie zerrüttet die Strukturen zuletzt unter Ancelotti gewesen sein müssen. Heynckes betont: „Die Spieler brauchen Führung.“Dabei wird er auf jenes Gerüst bauen, das mit ihm geschichtsträchtig erfolgreich war, auf Neuer, Boateng, Alaba, Robben, Ribéry oder Müller. Sein Konzept sollte schnell greifen. Demnächst werden Weichen für die Saison gestellt, wenn Bayern im DFB-Pokal auf Leipzig trifft und in der Champions League Duelle mit Celtic Glasgow anstehen.
„Ich war sehr zufrieden mit meinem Leben und habe in den vier Jahren nichts vermisst.“Jupp Heynckes