Immer mehr Menschen hungern
Die Lücke zwischen Arm und Reich ist gewaltig. In vielen Ländern kommen Kriege hinzu
Berlin Einige Zahlen zu Beginn: Ende September wurde bekannt, dass das weltweite Netto-Geldvermögen auf die unvorstellbare Summe von 128,5 Billionen Euro angewachsen ist. Dem Boom an den Börsen sei Dank. Wie der Allianz Global Wealth Report weiter festhielt, verfügte 2016 jeder Nordamerikaner im Schnitt über 168 130 Euro, Osteuropäer kamen auf 4150 Euro, Afrika wurde gar nicht erst erfasst. Und noch eine Zahl: Erstmals nach gut einem Jahrzehnt nahm die Zahl der Hungernden im vergangenen Jahr wieder zu. Sie stieg laut Welternährungsorganisation FAO von 777 auf 815 Millionen Menschen.
Enorme Ungleichheiten offenbart auch der Welthunger-Index, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Der Eindruck drängt sich auf, dass der Kampf gegen Unterernährung stagniert. In 51 Ländern bleibt die Lage „ernst“oder „sehr ernst“, in einem weiteren Fall, der Zentralafrikanischen Republik, ist sie sogar „gravierend“.
Zur Ermittlung des Indexwertes nehmen die Experten vom International Food Policy Research Institute (IFPRI) in Washington vier Bereiche ins Visier: Unterernährung, Auszehrung und Wachstumsverzögerungen bei Kindern sowie Kindersterblichkeit. Auf einer 100– Punkte-Skala ist 0 (kein Hunger) der beste, 100 der schlechteste Wert. Einige Länder bleiben außen vor, zu denen kein ausreichendes Zahlenmaterial zur Verfügung stand, wie die Krisenregionen Kongo, Südsudan oder Syrien.
Vorgestellt wird der Index seit 2006 jährlich vom IFPRI, der Welthungerhilfe und der irischen Organisation Concern Worldwide. Schlusslicht des diesmal 119 Länder umfassenden Rankings ist die Zen- tralafrikanische Republik mit einem Indexwert von 50,9. Es folgen mit dem Tschad, Sierra Leone, Madagaskar und Sambia vier weitere Länder in Afrika. Dann kommen der vom Krieg gezeichnete Jemen auf der Arabischen Halbinsel, Sudan und Liberia.
Doch es gibt auch Fortschritte. Insgesamt 14 Ländern bescheinigt der Bericht große Fortschritte im Vergleich zum Jahr 2000. Dazu gehören Brasilien und Peru, Senegal und China. Weitere 72 Länder verbesserten sich geringfügiger. Zu dieser Gruppe gehört Kenia. Das Land verzeichnete in den vergangenen Jahren ein konstantes Wirtschaftswachstum. Wie fragil die Lage jedoch ist, zeigte sich bei der diesjährigen Dürre in Ostafrika.
In vielen Ländern kommen Kriege und politische Instabilität hinzu. Zugleich betonen die Autoren, dass es auch innerhalb einzelner Länder große regionale Unterschiede gebe. In Nepal liegt der Anteil von unter Fünfjährigen mit Wachstumsverzögerungen landesweit bei 37,4 Prozent, in einigen abgelegenen Bergregionen aber schnellt der Wert auf über 60 Prozent hoch.
Dies alles deute darauf hin, dass ein standardisiertes Konzept zur Bekämpfung von Hunger und Unterernährung nicht die besten Ergebnisse erzielt. Auch beeinflussten die Aktivitäten von multinationalen Agrar- und Nahrungsunternehmen die landwirtschaftlichen Märkte in Entwicklungsländern.
Zum Abschluss noch eine Zahl: In derselben Welt, in der mehr als 800 Millionen Menschen hungern, ist ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung fettleibig. Und ein Drittel aller Nahrungsmittel werde verschwendet oder vergeudet.
Joachim Heinz, kna