Ehrlichkeit und Gemeinschaft
Zum Reformationstag predigen die Pfarrer der evangelischen und der katholischen Gemeinde in Aichach gemeinsam. Bei den Gottesdienstbesuchern kommt das gut an
Aichach Ökumenisch und doch wieder ganz anders war am Reformationstag der Gottesdienst in der evangelischen Paul-Gerhardt-Kirche in Aichach. Der evangelische Pfarrer Winfried Stahl und sein katholischer Kollege, Stadtpfarrer Herbert Gugler, hielten zusammen eine Predigt, in der sie die Gemeinsamkeiten der beiden Konfessionen in den Mittelpunkt stellten. Eine Idee, die sowohl bei den evangelischen als auch den katholischen Christen in der voll besetzten Kirche gut ankam.
Mit Fragen nach dem eigenen Profil und ihrem Beitrag zur Ökumene hatte sich die evangelische Kirche während des Jubiläumsjahres zu 500 Jahren Reformation immer wieder befasst. Beim Gottesdienst am Dienstag standen andere Fragen im Mittelpunkt: Was haben beide Konfessionen gemeinsam und wo liegen die Stärken und Schwächen?
Grundlage waren Texte, die von katholischen und evangelischen Bischöfen gemeinsam erarbeitet worden waren. Es ging darin zum Beispiel um tiefe Gräben, die zwischen Familienmitgliedern oder Städten wegen der verschiedenen Konfessionen aufgerissen worden waren. „Noch immer haben wir keinen Weg gefunden, im eucharistischen Abendmahl unsere Gemeinschaft mit Jesus Christus zu feiern“, hieß es unter anderem in den Texten.
Nach Jahrhunderten wechselseitiger Verletzungen und Abgrenzungen seien nun viele Schritte zur Versöhnung getan worden, sagte Stahl. „Eine neue Kultur der Verständigung ist entstanden.“Pfarrer Gugler nannte als Beispiel die gegenseitige Anerkennung der Taufe oder die Wertschätzung des Wort Gottes und der Heiligen Schrift. „Das Engagement der Menschen in der evangelischen Gemeinde ist ein lebendiges Zeugnis des Glaubens.“
Die katholische Kirche sei im wahren Sinne des Wortes eine Weltkirche, sagte Pfarrer Stahl. „Wir schauen voll Achtung auf die Liebe zur Liturgie und sind beeindruckt vom karitativen Dienst der Kirche.“
In der gemeinsamen Predigt machten sich die beiden Pfarrer Gedanken darüber, was das Besondere an Christus sei. Der evangelische Zugang seien seine Worte, so Stahl. „Weil wir spüren, dass hinter jedem dieser Worte Jesus selbst steht.“Stadtpfarrer Gugler sagte: „Es hängt stark mit dem zusammen, was er Einzigartiges geleistet hat: die Auferstehung von den Toten.“
Jeder der beiden Pfarrer habe auf seine Art sehr ehrlich gesprochen, war der Eindruck von Brigitte Weber, der früheren Vorsitzenden des Katholischen Frauenbundes Aichach, nach dem Gottesdienst. „Man hat ihnen angemerkt, dass sie selber für dieses Thema offen sind.“Sie erinnerte daran, dass Aichach mit dem ökumenischen Jahresabschlussgottesdienst, den es seit der Jahrtausendwende gibt, in der Diözese Augsburg Vorreiter in Sachen Ökumene war. „Das war damals ein Novum.“Auch bei den evangelischen Gläubigen war der gemeinsame Gottesdienst gut angekommen. Günther Rocher aus Aichach freute sich über das gemeinsam abgehaltene Abendmahl. „Dass man das gemeinsam feiert, ist nicht an der Tagesordnung“, sagte er. Ute Lupp fand den gemeinsamen Abschlusssegen der beiden Pfarrer schön. „Gerade, weil wir jetzt so viele Religionen im Land haben, wäre es wichtig, einen starken Zusammenhalt zu haben“, sagte sie.
Der Gottesdienst sei von dem Wunsch zur Ehrlichkeit und Gemeinschaft getragen gewesen, sagte Pfarrer Stahl. „Das hat mir sehr gut gefallen und gutgetan.“Kirchenmusikalisch war der Gottesdienst vom Chor und von Eduard Augsburger an der Trompete gestaltet worden.