Wenn die Freundin nichts mehr isst
Schon krankhaft dürr oder gesund schlank? Es ist ein schmaler Grat und für Eltern und Freunde oft schwer zu durchschauen. Wie man Warnsignale für eine Essstörung erkennt
Aichach Friedberg Oft ist es ein schleichender Prozess: Ein Mensch zieht sich zurück, isst nicht mehr in Gesellschaft. Mahlzeiten werden ausgelassen und Ausreden erfunden: Nein, sie haben bereits gegessen, keinen Hunger, keine Zeit. Sind sie magersüchtig, depressiv oder noch kerngesund? Viele Mädchen und zunehmend auch Buben leiden unter Essstörungen. Am häufigsten verbreitet ist die Magersucht. „Meistens ist es eine Kombination aus der Bulimie, bei der Betroffene essen und erbrechen, und einer Magersucht“, weiß Beraterin Elke Schäfer.
Doch wie erkenne ich an einer Freundin, Klassenkameradin oder Bekannten, dass sie krankhaft magersüchtig ist? „Das ist nicht leicht. Manchmal essen Magersüchtige tagelang nichts. Wenn sie was essen, dann eher kalorienarme Nahrung wie Gurken oder Knäckebrot“, sagt Schäfer.
Nicht nur ein verändertes Essverhalten, auch die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper können auf eine Essstörung hindeuten. So äußern sich manche abfällig über ihren Körper. Wenn sich Sätze wie „ich meine schwabbeligen Oberschenkel“oder „wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich nur Fett“häufen, sollte man hellhörig werden.
Ein geringeres Selbstwertgefühl äußert sich auch darin, dass sich die betroffenen Personen immer stärker von Freunden und Familien zurückziehen. Sie geben Hobbys auf und wollen häufig allein sein. Zunehmend machen sich Stimmungsschwankungen bemerkbar. Die Betroffenen sind schneller gereizt als früher.
Als wichtigster Indikator für die Magersucht gilt natürlich das Gewicht des Mädchen oder Jungen. Ein starker Gewichtsverlust von mehr als sechs Kilo in den vorangegangenen drei Monaten ist laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein eindeutiges Warnsignal für eine Essstörung.
Was kann ich tun, wenn sich solche Anzeichen bei Freunden bemerkbar machen? „Wenn man gut mit der betroffenen Person befreundet ist, sollte man sie direkt darauf ansprechen. Man kann zum Beispiel anbieten, sie zum Arzt oder zur Beratungsstelle zu begleiten“, empfiehlt Elke Schäfer.
Dabei ist es wichtig, keine Kritik an dem Essverhalten und der Figur der magersüchtigen Person zu äußern. Ein Hilfsangebot sollte auch nicht aufgedrängt werden, um den Menschen unter Druck zu setzen. Besser ist es, konkrete Vorschläge zu machen, aber die Entscheidung der betroffenen Person zu überlassen. Natürlich kann man andere Bezugspersonen ansprechen: Die Eltern, Lehrer oder andere Freunde sollten miteinbezogen werden.
Gerade im Frühjahr machen sich viele Mädchen Gedanken um die ideale Bikinifigur. Doch Elke Schähasse fer warnt: „Viele rutschen über solche Frühjahrs-Diäten in die Magersucht.“Zuerst nimmt man ein bisschen ab, bekommt dafür Lob – und dann kommt die Angst, wieder zuzunehmen. Dies betrifft nicht mehr nur Mädchen. „Immer mehr Jungs wollen sehr dünn sein“, sagt Schäfer. Mittlerweile sind zehn bis 15 Prozent der Magersüchtigen männlich. Anders als bei Frauen erkranken sie nicht im Jugendalter, sondern oft erst im jungen Erwachsenenalter.